Am offenen Herzen des Unternehmens

Dienstag. 24. April 2018 (Anke Hempfling)
Lilly Leppmeier und Alexander Raps arbeiten seit mehr als einem Jahr zusammen - und das Projekt läuft weiter.
Die Studierendengruppe entwickelte gemeinsam ein neues Gebäude- und Raumkonzept für die Unimatic GmbH in Grub am Forst.

Ein Silicon Valley gibt es bald auch in Grub am Forst. Zumindest, wenn es nach Studierenden der Hochschule Coburg geht. Eine genauso imposante Architektur, eine genauso moderne Arbeitswelt soll ihrer Meinung nach dort entstehen. In einem interdisziplinären Projekt im Rahmen des Coburger Wegs entwickelten sie ihre Ideen.

Seit ihrem Gründungsjahr 1980 hat die Unimatic GmbH ihren Hauptsitz im oberfränkischen Grub am Forst. Jetzt war es an der Zeit für Veränderung. „Als erstes stand eine Betriebserweiterung zur Debatte. Daraus resultierten Änderungsvorschläge für die Arbeitswelt. Für ein allumfassendes Konzept haben wir uns Unterstützung von der Hochschule Coburg geholt“, sagt Alexander Raps. Er ist Geschäftsführer des familiengeführten Unternehmens für Automationssysteme im Sondermaschinen- und Anlagenbau mit 50 Mitarbeitern. Die Bilanz dieser Kooperation: eine Projektlaufzeit von zwei Semestern, 38 beteiligte Studierende aus vier Studiengängen, eine Vielzahl an Ideen und schlussendlich fünf unterschiedliche Ergebnisse.

Den Beginn machten Studentinnen der Innenarchitektur und Integrativen Gesundheitsförderung im Sommersemester 2017. Die Innenarchitektinnen hatten die Aufgabe, ein komplett neues Raumkonzept für die Büro- und Aufenthaltsräume zu entwerfen. Dann sollten die Studentinnen der Integrativen Gesundheitsförderung Maßnahmen zum Wohlbefinden der Mitarbeiter erarbeiten. „Für uns ging es um den ganzheitlichen Ansatz einer modernen Arbeitswelt. Zwar spielt der Arbeitsort darin eine wichtige Rolle, aber es gehören noch andere Faktoren dazu“, erklärt die studentische Projektleiterin Lilly Leppmeier. Im Rahmen eines Workshops führten die Studierenden eine Mitarbeiterbefragung zur aktuellen Arbeitszufriedenheit durch. Daraus entwickelten sie ein Gesamtkonzept für mehr Vertrauen und Zusammenhalt im Unternehmen. Maßnahmen wie Gesprächsrunden und Aktive Pausen sollen so in den Arbeitsalltag integriert werden.

Dass das erst einmal Anklang in der Belegschaft finden muss, weiß Geschäftsführer Raps: „Dadurch müssen meine Mitarbeiter zwar ihre Komfortzone verlassen, langfristig wird uns das aber guttun. Um diesen Plan weiterhin konsequent verfolgen zu können, habe ich vier Studentinnen eine Werkstudentenstelle angeboten.“ Alle haben angenommen und können so ihre Handlungsempfehlungen vor Ort umsetzen. „Weil uns Unimatic so viel Vertrauen schenkt, arbeiten die Studentinnen quasi am offenen Herzen des Unternehmens. Sie gehen dabei sehr kompetent vor. So etwas in der Lehre zu erleben, ist toll“, lobt Prof. Dr. Nicole Hegel, Studiengangsleiterin der Gesundheitsförderung.

Gutes Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe

Während die Studentinnen der Integrativen Gesundheitsförderung im zweiten Projektsemester ihr Konzept ohne Beteiligung anderer Studiengänge verfolgten, läuteten die Entwürfe der Innenarchitektinnen eine neue interdisziplinäre Zusammenarbeit ein. Denn die geplanten Umbauten erforderten jetzt die Kompetenzen angehender Architekt*innen und Bauingenieur*innen. So entstanden fünf neue Teams, in denen jeder der drei Studiengänge mindestens durch einen Studierenden vertreten war. Regelmäßig präsentierten sie Alexander Raps und den beteiligten Dozenten ihre Ergebnisse. Die Studiengangsleiterin der Innenarchitektur, Prof. Barbara Fuchs, staunte, wie gut das funktionierte: „Wenn ein Bauingenieur von ‚seiner‘ Innenarchitektin redet, dann spricht das für ein sehr gutes Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe.“

Eine dieser Gruppen bestand aus den Studierenden Carina Steger (Innenarchitektur), Kirsten Unterholzer und Angelika Gursch (Bauingenieurwesen), Sophia Scherer sowie Frank Stretz (Architektur). Sie stellten einen Entwurf vor, der den Hauptsitz der Unimatic GmbH regelrecht in ein Flaggschiff verwandelt. In Gesprächen mit dem Geschäftsführer habe sich herauskristallisiert, dass es im Inneren des Gebäudes um gute Mitarbeitervernetzung á la Google im Silicon Valley gehen soll. Nach Außen stehe der repräsentative Charakter der Firmenzentrale im Vordergrund. Sophia Scherer und Frank Stretz bauten dazu ein Modell, das alle Details enthält. „Man bekommt ein ganz anderes Raumgefühl, wenn man das in 3D vor sich stehen hat“, erklärt Carina Steger. Die Miniatur aus Holz in die Realität zu übertragen, war die Aufgabe der Bauingenieurinnen. „Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, welche Materialien dafür am geeignetsten wären und welche technischen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit das Gebäude hält“, sagt Kirsten Unterholzer. Dabei wären hin und wieder für die Berufsstände typische Diskussionen zwischen den beiden Studierenden der Architektur und den Bauingenieurinnen aufgekommen: „Die Frage, ob wir hier wirklich eine Stütze brauchen, hat uns öfters beschäftigt“, lacht Angelika Gursch.

Für die Studierenden ging es nicht darum, einen Entwurf zu entwickeln, den Alexander Raps exakt so umsetzen sollte. Ziel war es vielmehr, ihm zu zeigen, was überhaupt möglich ist. „Wir haben versucht, unser Thema konsequent durchzuziehen. Die U-Form war dabei bewusst gewählt, denn so durchlaufen die Produkte den Produktionsprozess. Das wollten wir widerspiegeln. Ein Highlight im Innenraum ist zudem die Treppe im Foyer, die ebenfalls den Repräsentationsgedanken aufgreift“, sagt Frank Stretz. Das kam bei Geschäftsführer Raps an: „Der Entwurf hat mir insgesamt am besten gefallen. Definitiv werden wir einige Elemente daraus übernehmen.“

Die knappe Bearbeitungszeit stellte die Studierenden vor Herausforderungen: „Später im Beruf hat man für so etwas deutlich mehr Zeit. Außerdem arbeiten Architekten und Bauingenieure nicht parallel. Und die Innenarchitekten sind nie die Ersten, die Entwürfe machen“, erklärt Sophia Scherer. Dennoch habe das Projekt sehr viele realistische Aspekte miteinander vereint, betont Jonas Schmidt, der die Lehrveranstaltung aus Sicht der Bauingenieure betreute: „Die Studierenden, die hier zusammengearbeitet haben, sind die Teams der Zukunft in der realen Berufswelt.“

 

Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 01/2018 des Hochschulmagazins mit dem Schwerpunktthema "Praxis im Studium". Die Onlineversion des Magazins gibt es hier.