Die Natur der Liebe

Montag. 30. April 2018 (Franziska Koch)
Ist die Liebe nur eine Erfindung der Moderne? Damit beschäftigte sich Evolutionsbiologe Prof. Dr. Thomas Junker in seinem Vortrag. Bild: JuergenG/ CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
Thomas Junker
Prof. Dr. Thomas Junker ist Evolutionsbiologe und Sachbuchautor

Seit März zeigt das Naturkunde-Museum Coburg in einer Sonderschau wichtige Stationen im Leben des Coburger Naturforschers Johann Christoph Matthias Reinecke (1770-1818). Ein umfangreiches Rahmenprogramm erläutert den Aufbruch der Wissenschaften ab 1800. Den Anfang machte ein interdisziplinärer Workshop an der Hochschule Coburg mit einem Ehrengast, dem Tübinger Evolutionsbiologen Prof. Dr. Thomas Junker.

Mutterliebe ist ein Erbe unserer Natur. Diese enge emotionale Bindung zwischen einer Frau und ihrem Kind findet sich nachweislich auch bei uns nahe verwandten Affenarten. Doch wie verhält es sich mit der romantischen Liebe? Ist sie eine reine Erfindung der Moderne oder doch evolutionstheoretisch begründbar? In einem spannenden Vortrag nahm Thomas Junker die Coburger Studierenden mit auf eine Reise durch die Evolution der Liebe, Thema seines aktuellen Buches „Die verborgene Natur der Liebe: Sex und Leidenschaft und wie wir die Richtigen finden“. Eindrucksvoll erklärt er die verschiedenen Facetten der Liebe aus biologischer Sicht. Denn das Modell einer Zweierbeziehung auf Lebenszeit ist keine Idee des 18. Jahrhunderts, sondern liegt in unseren Genen begründet. So vergleicht eine Studie aus dem Jahr 1981 die Korrelation von Körper- und Hodengewicht zum Paarungsverhalten von Menschen und von Primaten die, je nach Art, monogam, polygam oder promiskuitiv leben. Ergebnis: Wir Menschen leben eher in Paarbeziehungen, doch besitzen wir einem Hang zur Promiskuität - also zum Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern ohne dauerhafte Bindung.

Menschliche Paarbindungen unterliegen dabei dem Faktor der Emotionalität. Denn über Empfindungen wie Lust, Eifersucht und Liebesglück stärken wir die Beziehung zu unserem Partner und erfüllen damit einen wichtigen Zweck der Evolution, der gemeinsamen Fürsorge für den Nachwuchs. Doch gibt es auch Wiedersprüche: Denn monogam lebende Affen haben vergleichsweise nur sehr wenig Sex, der in festen Paarbeziehungen lebende Mensch jedoch deutlich häufiger. Der Tübinger Professor der Geschichte der Biowissenschaften bringt hier unsere Form des Zusammenlebens ins Spiel: Menschen sind Teil größerer Gesellschaften und das schafft ihnen einfach mehr Gelegenheiten für Seitensprünge.

Der Vortrag von Thomas Junker fand im Rahmen eines fachübergreifenden Evolutions-Workshops für Studierende an der Hochschule Coburg statt und bildete den Auftakt eines zweitägigen Rahmenprogramms zur Sonderausstellung „J.C.M Reinecke: Des Urmeeres Nautili“ im Naturkunde-Museum Coburg. Studierende der Bioanalytik und der Sozialen Arbeit unter Leitung von Prof. Dr. Christian Holtorf und Dr. Apostolos Gerontas bereiteten den Workshop vor. Finanziell unterstützt wurden sie dabei vom Innovationsfonds der Hochschule Coburg, der zukunftsweisende Ideen für Lehr- und Lernformate fördert. Gemeinsam mit Thomas Junker diskutierten die Studierenden evolutionsbiologische Fragen wie „Ist soziales Verhalten biologisch erklärbar?“, „Unterliegt der Mensch noch dem Selektionsdruck?“ oder „Gibt es Vererbung, die nicht in den Genen gespeichert ist?“. Anschließend hatten sie noch Gelegenheit zum Besuch des öffentlichen Abendvortrags von Thomas Junker zu den frühen Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts im Naturkunde-Museum. Eine öffentliche Tagung, die sich mit dem Aufbruch der Wissenschaften um 1800 beschäftigt, rundet die Veranstaltungsreihe anlässlich der Ausstellung um das Leben und Wirken Reineckes ab. „J.C.M Reinecke: Des Urmeeres Nautili“ ist noch bis zum 30. September 2018 im Naturkunde-Museum Coburg für Besucher geöffnet.