Porträt einer Pionierin

Mittwoch. 12. Dezember 2018 (Anke Hempfling)
Annette Stegemann im Foyer der Hochschule Coburg
Eine Westfälin in Oberfranken: Annette Stegemann.

Es gab eine Zeit, da wusste Annette Stegemann nicht, wo Coburg überhaupt liegt. Heute ist die Stadt ihr Lebensmittelpunkt. Für ihren Job an der Hochschule Coburg reist sie zudem regelmäßig um die ganze Welt – und das schon seit 25 Jahren.

Eigentlich wollte Annette Stegemann Lehrerin werden. Dafür wählte sie an der Universität Münster die abenteuerliche Fächerkombination aus Anglistik, Katholischer Religionslehre und Textilgestaltung. Ihr Studium finanzierte sie sich komplett selbst, half dafür in der vorlesungsfreien Zeit im Studienbüro, der Pressestelle oder im Kanzler- und Rektorenzimmer aus. „Ich bin eine der wenigen, die schon in fast jedem Büro einer Hochschule gearbeitet haben“, lacht sie. Anfang der 1990er Jahre zahlte sich dieser Erfahrungsschatz aus. Da beschloss der damalige Bundesbildungsminister Jürgen W. Möllemann die Gründung von Akademischen Auslandsämtern an allen deutschen Fachhochschulen. Annette Stegemann hatte zu diesem Zeitpunkt ihr abgeschlossenes Studium in der Tasche. Doch anstatt zu unterrichten, schlug sie eine ganz neue Richtung ein: „10 Jahre war ich da bereits an der Fachhochschule Münster tätig und habe dort auch internationale Erfahrung gesammelt. Deshalb wusste ich, dass ich in einem Auslandsamt arbeiten will.“ Ihre Bewerbungen dafür verschickte sie bundesweit.

Als die Einladung zum Vorstellungsgespräch kam, musste Annette Stegemann erst einmal auf die Deutschlandkarte schauen. Von Coburg hatte die gebürtige Westfälin zuvor noch nie etwas gehört. Doch das Gespräch verlief gut und auch die Stadt konnte schlussendlich überzeugen: „Ich hatte außerdem Angebote aus Hessen und Baden-Württemberg. Für Coburg habe ich mich bewusst entschieden, da ich hier die besten Chancen sah, mich sowohl fachlich als auch persönlich weiterzuentwickeln.“

Im Mai 1993 trat sie die Leitung des neu eingerichteten Akademischen Auslandsamts der Hochschule Coburg an. Etwas aufzubauen, was es zuvor in dieser Form noch nie gab, schüchterte sie nicht ein: „Ich habe mich dieser Herausforderung gerne gestellt. Mir war ja bewusst, dass von mir erwartet wird, Dinge anzustoßen und diese mit neuen Impulsen nach vorne zu treiben.“ Und genau das tat sie. Mit Annette Stegemann öffnete sich die Hochschule Coburg zunehmend für die ganze Welt. Ausländische Studierende konnten hier nun Vorlesungen besuchen und deutsche Studierende gingen für ein Semester oder mehr an Partnerhochschulen ins Ausland. Die dafür notwendigen Kooperationsverträge und Stipendien brachte Annette Stegemann auf den Weg.

Mittlerweile werden drei internationale Studiengänge in englischer Sprache an der Hochschule Coburg angeboten. „Wir bieten Orientierungskurse, unterstützen bei Anmeldungen in der Ausländerbehörde oder vermitteln einen Platz im Studentenwohnheim. Ich möchte, dass sich unsere ausländischen Gäste bei uns angenommen und wohlfühlen“, erzählt Stegemann. In diesem Zusammenhang ist in Kooperation mit dem Coburger Stadtmarketing auch das Programm GastFREUNDschaft entstanden. Hier können sich Bürger*innen freiwillig melden und internationalen Studierenden einen Einblick in das alltägliche Leben in Oberfranken geben. Stegemanns größter Erfolg: Mit ihrer Unterstützung schloss ein Coburger Student an der berühmten, renommierten Harvard University ab – mit Auszeichnung.

Heute hat Annette Stegemann fünf Mitarbeiter*innen. Die vertreten ihre Abteilungsleiterin, wenn mal wieder Treffen mit Kolleg*innen in Asien, Europa oder den USA anstehen. Denn regelmäßiges Reisen gehört zu ihrem Beruf dazu: „Das wichtigste an einer internationalen Arbeit ist es, sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen. Man muss sich darauf einlassen, in andere Kulturen einzutauchen und die Menschen dahinter kennenzulernen.“ Privat genügen ihr dann ein paar freie Tage an der Ostsee: „Gerade, weil ich beruflich so viel unterwegs bin, verbringe ich meinen Urlaub am liebsten in Deutschland.“ Dennoch lebt Annette Stegemann gerne international. Sie liebt die italienische Küche, hört Bruce Springsteen und schaltet am liebsten bei „Jenseits von Afrika“ ein. Fremdsprachen sind ihr Hobby. Das konnte sie in Coburg übrigens vertiefen: hier hat sie auch ein kleines bisschen Fränkisch gelernt.

Für ihr 25-jähriges Engagement im International Office – so heißt das Akademische Auslandsamt seit gut fünf Jahren – wurde Annette Stegemann kürzlich mit der Ehrenmedaille der Hochschule Coburg ausgezeichnet. Ihr Fazit aus einem Vierteljahrhundert im Dienst: „Immer die Ruhe bewahren! Mittlerweile habe ich ja genug Erfahrungswissen angehäuft, um für alles gewappnet zu sein. Auch wenn es noch so turbulent zugeht.“