26. November '25
(Natalie Schalk)
Fast vier Jahre hat Prof. Dr. Nicole Hegel als Vizepräsidentin für Bildung und Diversity die Hochschule Coburg entscheidend mitgestaltet. Das Amt hat nun Prof. Dr. Ada Bäumner übernommen. Ein Gespräch mit beiden über Verantwortung, Visionen und Neugier.
Wie war der Moment, als Sie entschieden haben, die Verantwortung des Vize-Präsidentenamtes zu übernehmen, Prof. Bäumner?
Prof. Dr. Ada Bäumner: Einen einzelnen Schlüsselmoment gab es eigentlich nicht – es war vielmehr ein allmählicher Prozess. Mit der Zeit habe ich gemerkt, wie sehr mich die Themen reizen, die mit diesem Amt verbunden sind. Die Chance, aktiv mitzugestalten, wie wir Studium, Lehre und Bildung an unserer Hochschule denken und leben, hat mich besonders angesprochen. Für diese Aufgabe übernehme ich gerne Verantwortung.
Prof. Hegel, wie war das, als Sie damals das Amt übernommen haben?
Prof. Dr. Nicole Hegel: Das war eine besondere Situation. Mein Vorgänger war leider zunächst erkrankt, dann verstorben und es wurde schnell jemand gebraucht. Ich bin seit 2011 an der Hochschule, war einige Jahre Dekanin, kannte die Erweiterte Hochschulleitung (EHL) und hatte dadurch ein wenig Erfahrung, was Hochschulmanagement bedeutet. Also nahm ich das Angebot der damaligen Präsidentin an und sie schlug mich zur Wahl vor. Ich hatte kaum Zeit, mir Gedanken zu machen. Was ich unterschätzt habe: Wie viel Zeit Gremienarbeit und Bürokratie einerseits und Überzeugungsarbeit und informelle Gespräche andererseits beanspruchen. Tatsächlich ist es ein sehr politisches Amt – gestalten, aushandeln, überzeugen: Das macht den Reiz und auch die Herausforderung aus.
Sie hatten mehr Vorlauf, Frau Bäumner – wie haben Sie sich vorbereitet?
Bäumner: Ich bin erst seit 2022 an der Hochschule und bringe nicht die gleiche Vorerfahrung in politischen Ämtern und Gremien mit. Ich komme aus der Lehre – und natürlich habe ich mich gefragt, ob ich schon genügend Erfahrung habe. Gleichzeitig dachte ich: Vielleicht ist gerade das ein Vorteil. Wer ein Amt früh übernimmt, bringt neue Perspektiven ein, lernt enorm viel – und kann dieses Wissen später wieder in die Lehre zurückgeben. Ich habe mich intensiv informiert und vor allem das Gespräch mit Nicole Hegel gesucht. Sie hat mich großartig unterstützt, mir die Aufgaben des Amtes ausführlich erläutert, Einblicke in ihre Arbeit und ihren Kalender gegeben und offen darüber gesprochen, wo sie Herausforderungen sieht. Das hat mir sehr geholfen, mich vorzubereiten – soweit dies überhaupt möglich ist.
Hegel: Man kann sich vorbereiten – vieles lernt man aber auch, wenn man schon mittendrin ist.
Wann war für Sie klar, dass es Zeit für den Abschied ist?
Hegel: Ich durfte viel gestalten und lernen – dafür bin ich dankbar. In letzter Zeit habe ich aber gemerkt, dass mein Einsatz nicht mehr im richtigen Verhältnis zum Erreichten stand. Das war für mich der Moment, bewusst loszulassen und Raum für neue Themen und Perspektiven zu schaffen – Ada Bäumner bringt frische Ideen, einen neuen Blick und viel Energie mit, um die Themen des Vizepräsidentenamtes weiterzuentwickeln.
Was wird sich unter Ihrer Leitung verändern, Prof. Bäumner?
Bäumner: Ich möchte an die bisherige Arbeit im Bereich Bildung anknüpfen und sie kontinuierlich weiterentwickeln. Welche neuen Schwerpunkte wir setzen, möchte ich nicht im Alleingang entscheiden, sondern gemeinsam mit der Hochschulleitung und im Austausch mit Kolleginnen, Kollegen und Studierenden. Mir ist wichtig, zunächst aufmerksam wahrzunehmen, wo die Bedarfe liegen, und darauf aufbauend die nächsten Schritte festzulegen.
Einer Ihrer Schwerpunkte, Prof. Hegel, war der Programme Life Cycle-Prozess (PLC). Dabei geht es um den Lebenszyklus von Studiengängen, um Qualitätsmanagement – was hat sich da verändert?
Hegel: Wir brauchten klare Strukturen: Wie entstehen gute Studiengänge? Wie prüfen wir, ob sie wirtschaftlich sind? Und wie entscheiden wir gemeinsam, wenn es auch einmal darum geht, uns von etwas zu verabschieden? Heute haben wir transparente Prozesse, die Qualität sichern – und Mut, Dinge zu verändern. Alle Beteiligten sind eingebunden. Wenn wir neue Studiengänge aufsetzen, gibt es einen Prüfbericht. Themen wie Akkreditierung, Monitoring und Evaluation, Partizipation sind entscheidend für die vielfältige Qualitätsentwicklung unserer Lehre. Und Kennzahlen helfen, Reformen zu steuern. Ich dachte nie, dass meine Rolle Qualitäts- und Prozessmanagement sein würde, aber es war nötig, um unsere Strukturen nachhaltig zu stärken.
Was waren sonst Meilensteine?
Hegel: Für mich gab es weniger persönliche Meilensteine – entscheidend war für mich immer, dass wir in der Hochschulleitung gemeinsam auf das große Ganze blicken. Ich danke meinen Kollegen sehr für diese Zusammenarbeit. Insgesamt war ich eher damit beschäftigt, Strukturen zu sichern: Stellen zu halten und das Referat für Lehrinnovation und -qualität zukunftsfähig weiterzuentwickeln, ein Referat Diversity aufzustellen, die entsprechenden Strategien dafür zu verankern. Für eigene Projekte blieb dadurch manchmal weniger Raum. Umso mehr freue ich mich, dass wir mit dem Zentrum für Zukunftskompetenzen und der IMPACT-Projektwoche Formate schaffen konnten, die weiterwirken und neue Impulse geben.
Bäumner: Ich bin Nicole Hegel sehr dankbar dafür, dass sie so viel Energie in den Aufbau tragfähiger Strukturen und klarer Prozesse investiert hat. Dadurch sind Grundlagen entstanden, auf die ich nun mit einer stärkeren inhaltlichen Ausgestaltung aufbauen kann. Formate wie die IMPACT-Projektwoche oder das Orientierungssemester eröffnen einen großen Gestaltungsraum.
Da geht es auch um Interdisziplinarität – wie wichtig ist das für Sie?
Bäumner: Interdisziplinarität kann je nach Phase des Studiums eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Wenn Studierende ins Bachelorstudium starten, geht es so wohl nicht selten zunächst darum, anzukommen und Sicherheit in den eigenen Grundlagen zu gewinnen. In dieser frühen Phase scheint es mir sinnvoll, vor allem Räume zu schaffen, in denen sie miteinander arbeiten, ihre unterschiedlichen Erfahrungen einbringen und voneinander lernen können. So entsteht Schritt für Schritt ein erstes Bewusstsein dafür, wie wertvoll verschiedene Perspektiven sind. Auf diesem Fundament lässt sich im weiteren Studienverlauf aufbauen. Wenn die Studierenden fachlich gefestigt sind, können nach und nach komplexe, interdisziplinäre Ansätze einbezogen werden, wie sie es für ihre berufliche aber auch persönliche Zukunft brauchen– weil die Welt, in der sie arbeiten und leben, vernetzt, dynamisch und immer stärker fachübergreifend ist.
Hegel: Entscheidend ist der Blick über den Tellerrand, der einfach auch mit persönlichen Kompetenzen einhergeht. Wenn wir alle Verständnis entwickeln für die wissenschaftlichen Denkweisen anderer Disziplinen, ist schon viel gewonnen.
Sie sind Wissenschaftlerinnen aus unterschiedlichen Disziplinen – wie prägt das Ihre Sicht auf Bildung?
Hegel: Ich komme aus der Sozialen Arbeit, also aus einem Bereich ohne Labore und mit sehr großen Studierendengruppen – das prägt natürlich den Blick auf Lehre. In der Hochschulleitung war es mir wichtig, die unterschiedlichen Perspektiven zusammenzuführen. Jede Disziplin weiß, was gute Lehre ausmacht, und genau diese Vielfalt ist unsere Stärke.
Bäumner: Ich komme aus dem MINT-Bereich und finde vielleicht gerade deshalb die Lehre in Bereichen wie der Sozialen Arbeit oder im Design unglaublich spannend. Dort wird oft viel offener, projektorientierter und experimenteller gearbeitet – und davon können wir alle profitieren. Für mich ist entscheidend, mit echter Neugier auf die anderen Disziplinen zu schauen. Als Vizepräsidentin für Bildung trage ich Verantwortung für die gesamte Hochschule, nicht nur für mein eigenes Fach. Offenheit und die Bereitschaft, voneinander zu lernen, sind deshalb für mich zentrale Haltungen – und eine große Chance für unsere gemeinsame Weiterentwicklung.
Ist das der Grund, warum bei Ihnen in der Vorlesung manchmal Dart gespielt wird … ?
Bäumner: Ich spiele tatsächlich gerne Dart mit den Studierenden im Physikpraktikum, um Messprozesse, Messwerte und stochastische Verteilungen anschaulich zu machen. Lernen bedeutet für mich immer auch Entdecken. Ich hoffe, dass mich diese Neugier auch in meiner Rolle als Vizepräsidentin weiterträgt – und dass sie ebenso meine Studierenden inspiriert: neugierig zu bleiben, weiterzulernen, den Blick zu öffnen und Verantwortung für ihr Handeln, für sich selbst und später auch für die Gesellschaft zu übernehmen. Wir holen sie aus der Schule ab und begleiten sie ein Stück ihres Weges. Und jenseits des Fachwissens brauchen sie vor allem eines: Neugier und Eigeninitiative – ein Leben lang.




