23. Mai '25
von Elsa Vogels
Emotional und schonungslos zeigte die szenische Lesung „Die Frau an seiner Seite“, wie Frauen das NS-Regime stützten.
Am 8. Mai 2025, dem 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, fand im Jugendkulturzentrum Cosmos in Coburg eine szenische Lesung unter dem Titel „Die Frau an seiner Seite“ statt. Drei Berliner Schauspielerinnen rückten darin ein Thema in den Fokus, das lange im Schatten gestanden hatte: die Rolle der (Ehe-)Frauen in der SS, ihre Komplizenschaft und ihr aktives Mitwirken im NS-Regime.
Ein kühles, bläuliches Licht durchbrach die Dunkelheit des Saales und beleuchtete einen schlichten Bühnenraum. Im Hintergrund hing ein Foto: ein frisch verheiratetes Paar, das durch eine jubelnde Menschenmenge lief, die den Hitlergruß zeigte. Auf einem Klavier am rechten Bühnenrand standen Bilderrahmen mit Porträts von SS-Frauen. Davor lagen umgeworfene Schuhe. Im Zentrum der Bühne befanden sich drei einfache Holzstühle, wie aus alten Werkräumen, drei Wassergläser und ein CD-Player. Die Bühne wirkte karg und schuf dadurch eine beklemmende Atmosphäre.
Kaum begannen die Schauspielerinnen zu sprechen, füllte sich der Raum mit intensiver Energie. Aus verschiedenen Ecken setzten Stimmen ein: Eine Frau erzählte, wie sie verehrt wurde und ein Pferd geschenkt bekam. Von der anderen Seite war zu hören, der Ehemann sei nie böse gewesen und habe nie die Kinder geschlagen. Die Stimmen überlagerten sich zu einem unruhigen Klangteppich.
Aus diesem Stimmengewirr traten die Schauspielerinnen auf die Bühne. Die Lesung folgte der Dramaturgie des Buches „Eine Frau an seiner Seite. Ehefrauen in der SS-Sippengemeinschaft“ (1997), die szenische Lesung untersuchte, wie Frauen Teil des nationalsozialistischen Machtapparats wurden.
Wenn wir uns fragen, wie ganz normale Männer zu Mördern wurden, dann müssen wir uns auch fragen, wie ganz normale Frauen mit diesen Männern zusammenleben konnten.
aus der szenischen Lesung „Die Frau an seiner Seite“
Durch Originaltexte, historische Dokumente, Toneinspielungen und Musik führten die Schauspielerinnen ihr Publikum auf eine emotionale Reise. Sie erzählten, wie sich Frauen in SS-Offiziere verliebten, sie heirateten – und sich in Siedlungen vor Konzentrationslagern wiederfanden. Über das Thema der Liebe stellten sich bei mir ganz persönliche Fragen: Was hätte ich getan, wenn der eigene Mann ein liebevoller Vater – und zugleich ein Massenmörder gewesen wäre?
Doch die Lesung ließ keinen Raum für Verharmlosung: Die Frauen profitierten vom Mord an Millionen. Originalzitate belegten, wie bewusst sie sich entschieden, Teil dieses Systems zu sein – als Nutznießerinnen, als Mitwirkende.
Beklemmend – und erschreckend aktuell
Eine besonders eindrucksvolle Szene beschrieb den Fall eines SS-Kommandeurs, der die Schrecken nicht mehr ertragen konnte. Seine Ehefrau wurde hinzugezogen – und überredete ihn, weiterzumachen. Das Bild der fürsorglichen Ehefrau, die sich um Kinder, Haushalt und das Wohlbefinden ihres Mannes kümmerte, wurde hier zur tragenden Säule eines verbrecherischen Systems.
Liebe, Fürsorge und Familiensinn wurden pervertiert – sie dienten dazu, das Grauen aufrechtzuerhalten und die Männer emotional zu stabilisieren. Die Frauen waren keine bloßen Zuschauerinnen. Sie wurden Täterinnen.
Auch acht Jahrzehnte nach dem Kriegsende wirkte das Thema erschreckend aktuell. Während der Aufführung schien der ganze Saal den Atem anzuhalten. In den anschließenden Gesprächen war spürbar, wie viele im Publikum sich sorgten – über gesellschaftliche Entwicklungen, über das Wiedererstarken menschenverachtender Ideologien. Die Vergangenheit ist nicht vergangen – sie stellt Fragen an unsere Gegenwart.