Ausgezeichnet erfinderisch

Dienstag. 17. April 2018 (Anke Hempfling)
Prof. Dr. Kai Hiltmann ist stolz auf die Auszeichnung seines Studenten Christian Gebhard.

Um ans Ziel zu kommen, muss man manchmal gleich um mehrere Ecken denken. Dies gelang dem Studenten Christian Gebhard im vergangenen Semester besonders gut. Für seine praxisnahe Studienarbeit wurde er ausgezeichnet.

Ein neuer Planet wird entdeckt. Seine Maße sind noch unbekannt, deshalb gilt er vorerst als unendlich groß. Um herauszufinden, wie groß er tatsächlich ist, vergleicht man ihn mit bereits bekannten Himmelskörpern, die jeweils ins Extreme gehen. Der größte Planet ist der Jupiter, der kleinste der Merkur. Macht man jeweils ein Foto von jedem der drei Planeten und legt diese übereinander, lässt sich der unbekannte Planet besser einordnen: Ist er weder kleiner als Merkur, noch größer als Jupiter, befindet er sich im idealen Bereich. Liegt er darunter oder darüber, würde Christian Gebhard ihn als Mängelexemplar aussortieren.

Der Student spielte im Rahmen seiner Seminararbeit im Studiengang Entwicklung und Management im Maschinen- und Automobilbau mehrere solcher Szenarien gedanklich durch. Sein Ziel: Bauteile besser auf Qualität prüfen. Ein Gasbrenner springt beispielsweise nur an, wenn ein Funke an seiner Zündelektrode ausgelöst wird. Die Elektrode aus Gebhards Untersuchung setzt sich aus zwei Keramikisolatoren mit Metalldrähten und einem Halteblech mit zwei Öffnungen zusammen. Dort hinein werden die Isolatoren gesteckt. Damit sie auch halten, müssen die Isolatoren aber eine ganz bestimmte Größe haben. Sind sie zu klein, rutschen sie durch die Öffnungen. Sind sie zu groß, entsteht im schlimmsten Fall ein Riss und sie verlieren ihre isolierende Wirkung. „Um keine Mängelexemplare zu produzieren, könnte man die Isolatoren vor dem Zusammenbau von Hand prüfen. Bei einer Stückzahl von 10.000 ist das aber nicht zielführend“, sagt Christian Gebhard. Deshalb suchte er nach einer kosten- und zeitsparenden Methode, den Durchmesser der Keramikisolatoren so exakt zu vermessen, dass sie sich optimal mit dem Halteblech verbinden lassen.

Eine Lösung fand der Student durch eine spezielle Kreativitätstechnik, den Operator-MZK. Dieser Ansatz zielt darauf ab, kreative Denkanstöße zu provozieren und damit die eigene Vorstellungskraft zu erweitern. Dazu werden sechs Gedankenexperimente durchgeführt, in denen die Variablen Maße, Zeit und Kosten (MZK) jeweils unendlich und gar nicht zur Verfügung stehen. Christian Gebhard stellte sich die Keramikisolatoren dann als unendlich großen Planeten vor. „Genauso wie beim Planeten kann man anhand von Bildervergleichen auch in kurzer Zeit sehen, ob der Durchmesser des Keramikisolators noch im Toleranzbereich liegt“, dachte er sich. Um diese Idee umzusetzen, schlägt Gebhard vor, die Isolatoren von einer Seite zu beleuchten. Währenddessen macht eine Kamera von der anderen Seite ein Foto. Eine Software wertet dann innerhalb kürzester Zeit die Aufnahmen aus, indem sie die Umrisse der Bauteile miteinander vergleicht. Alle, die vom Idealbereich abweichen, fallen automatisch durch das Raster. Der Aussortierungsprozess könne somit wesentlich beschleunigt werden.

Erfinderisch, kreativ, TRIZ

Das Verfahren hinter Christian Gebhards Überlegungen nennt sich TRIZ. Diese „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ ist eine Art innovativer Methodenkatalog, mit dem man technische Fragestellungen systematisch lösen kann und geht zurück auf den russischen Ingenieur Genrich Altshuller. Dieser analysierte 40.000 Patente und fand heraus, dass viele Probleme durch die immer gleichen Prinzipien behoben werden konnten. Aus dieser Erkenntnis entstanden später verschiedene weitere TRIZ-Werkzeuge, wie der Operator-MZK. Durch TRIZ hat auch Christian Gebhard seinen Horizont erweitert: „Man sollte sich nicht nur auf die kleinen Probleme fokussieren, sondern immer das ganze System im Auge behalten. Nur so erzielt man einen Innovationsvorsprung vor der Konkurrenz.“ Nach diesem Prinzip funktioniert auch der Beruf eines Innovationsmanagers. Diese Leute arbeiten in den Entwicklungsabteilungen von Firmen wie General Electric oder Philips mit den TRIZ-Werkzeugen. Um sich auszutauschen, Nachwuchs zu rekrutieren und besondere Leistungen zu ehren, kommen sie jährlich auf dem TRIZ-Day zusammen. Im letzten Jahr war dieser Tag im Innovationskongress in Villach integriert. Dazu war auch Christian Gebhard eingeladen. Er wurde für seine Studienarbeit, die von Prof. Dr. Kai Hiltmann seitens der Hochschule Coburg betreut wurde, ausgezeichnet. Eine Urkunde bestätigt seitdem, dass auch er das Zeug zum Innovationstreiber hat.

 

Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 01/2018 des Hochschulmagazins mit dem Schwerpunktthema "Praxis im Studium". Die Onlineversion des Magazins gibt es hier.