Bindeglied in die Heimatländer

Dienstag. 20. März 2018 (Dr. Margareta Bögelein)
Hat sowohl bei der Studiengangs- als auch bei der Praktikumswahl alles richtig gemacht: Umut Kiyak.

Im internationalen Master-Studiengang Financial Management der Hochschule Coburg studieren aktuell 50 junge Menschen aus 22 Ländern. Obwohl alle neben einem ersten akademischen Abschluss mindestens zwei Jahre Berufserfahrung mitbringen müssen, ist in das viersemestrige Studium ein Praxissemester integriert. Die deutschen MBA-Studierenden (MBA steht für Master of Business Administration) müssen es im Ausland absolvieren; die ausländischen Studierenden in Deutschland.

„Wir möchten, dass sich unsere Studierenden mit den jeweiligen beruflichen Gepflogenheiten im Land auseinandersetzen“, erklärt Studiengangsleiter Prof. Dr. Victor Randall den Grund für diese Regelung. Der Student Umut Kiyak kam aus dem türkischen Ankara nach Coburg. Er erwarb dort an der privaten TOBB University of Economics and Technology seinen Bachelor in Economics und sammelte danach Praxiserfahrung in einer türkischen Konstruktionsgesellschaft. Nach zwei Theoriesemestern im Masterstudiengang Financial Management an der Hochschule Coburg absolviert er jetzt sein Praxissemester bei der BMW AG in München in der Geschäftsfeldsteuerung „Antriebssysteme“.

„Ich habe 30 Bewerbungen geschrieben und die BMW AG hat als Erstes geantwortet“, erzählt er stolz. In dem Team arbeiten derzeit 47 Mitarbeiter; der überwiegende Teil kommt aus Deutschland. Es gibt aber auch drei Österreicher, einen Franzosen, einen Schweizer und derzeit mit Umut Kiyak den einzigen Türken im Team. Die Kommunikation läuft in Englisch. „Es ist aber auch wichtig, Deutsch zu lernen und zu sprechen. Das ist der Schlüssel zu den Menschen“, bringt er seine Erfahrungen auf den Punkt. Da er bereits in türkischen Unternehmen gearbeitet hat, erkennt er die kulturellen Unterschiede in der Arbeitswelt der beiden Länder: „In der Türkei ist es wichtig, mit den Kollegen auch im privaten Umfeld befreundet und beispielsweise über Facebook verbunden zu sein. In Deutschland wird stärker zwischen dem Beruflichen und dem Privaten getrennt. Da steht eher die berufliche Funktion im Vordergrund“, hat Umut Kiyak beobachtet.

Die Arbeit in dem internationalen deutschen Unternehmen macht ihm Spaß. Hier kann er das in den ersten beiden Semestern in der Theorie Gelernt unmittelbar in der Praxis anwenden. Im vierten Semester steht die Masterarbeit auf dem Programm. Auch hier möchte Umut Kiyak Theorie und Praxis verbinden, am liebsten über ein Thema, das sich aus seinem Praxissemester bei der BMW AG ergibt.

Seine internationalen Studierenden sind bei den großen deutschen Unternehmen gern gesehen. Das stellt Professor Randall bei seinen Telefonaten mit den Unternehmen immer wieder fest: „Unsere Studierenden sind weltoffen und bringen wertvolle Erfahrungen aus ganz unterschiedlichen Ländern mit.“ Dazu gehören afrikanische, asiatische, südamerikanische und osteuropäische Staaten und die damit verbundenen unterschiedlichen Sprachen, Religionen und Kulturen. „Die Tatsache, dass sie sich alleine auf den Weg nach Deutschland machen und sich hier in einem Studententeam aus 22 verschiedenen Ländern zurechtfinden, zeigt, dass sie durchsetzungsfähig, initiativ und hochmotiviert sind“, ergänzt er. Für die deutschen Unternehmen können die neuen internationalen Mitarbeiter ein Bindeglied zu ihren ausländischen Tochtergesellschaften bilden.

Zudem stehen im Studium interkulturelle Trainings auf dem Programm. Die Studierenden erhalten Unterstützung bei der Suche nach einer Praktikumsstelle und die höheren Semester geben ihre Kenntnisse an die jüngeren weiter. Im Masterbüro versorgt die Koordinatorin Ingrid Welack ihre Studierenden mit Unternehmensadressen und Ansprechpartnern. Absolventen des Studiengangs, die jetzt in internationalen Unternehmen arbeiten, fragen regelmäßig bei Professor Randall nach, ob er neue Praktikanten empfehlen kann. Und es gibt zahlreiche Firmen und Banken, die sich aufgrund ihrer guten Erfahrungen mit den Studierenden in Coburg melden, um vakante Stellen anzubieten.

Dass ein Bewerbungsschreiben und der Lebenslauf in Deutschland anders formuliert und gestaltet werden muss, darauf weist Christian Erkenbrecher, der Leiter des Career Service der Hochschule Coburg, die Studierenden in speziellen Workshops und in der individuellen Beratung hin. „Im Ausland achtet man vor allem auf persönliche Referenzen, die im Lebenslauf ersichtlich sein sollen. Deutsche Firmen legen hingegen Wert darauf, dass das besondere Interesse an ihrer Branche und den Aufgabenfeldern erkennbar ist“, weiß Christian Erkenbrecher aus Erfahrung.

Obwohl viele Studierende im vierten Semester ihre Masterarbeit in Verbindung mit einem Unternehmen schreiben, kehren sie nach dem Praxissemester zunächst einmal an die Hochschule Coburg zurück. „Sie müssen einen umfassenden Praxisbericht abliefern und an einem Seminar teilnehmen“, berichtet Professor Randall. Dies sei wichtig, damit die Studierenden ihre Praxiserfahrungen reflektieren und sich austauschen können. Dabei geht es zum einen um das, was sie methodisch und fachlich in Controlling, Treasury und Accounting gelernt haben. Zum anderen geht es aber auch um ihre persönlichen Erlebnisse im Hinblick auf die Personalführung, das Miteinander im Team und den Umgang mit Feedback.

Egal, ob Umut Kiyak nach seinem MBA-Abschluss in einem deutschen oder einem türkischen Unternehmen arbeiten wird, seine Erfahrungen aus dem Praxissemester werden ihn begleiten und in der einen oder anderen Situation sehr hilfreich sein. Das spürt er bereits heute.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 01/2018 des Hochschulmagazins mit dem Schwerpunktthema "Praxis im Studium". Die Onlineversion des Magazins gibt es hier.