Coburger Ökonom erforscht Wirksamkeit regionaler Wirtschaftsförderung

Donnerstag. 09. Juli 2020 (Natalie Schalk)
Mann biegt Metall
Kleinere Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern werden stärker gefördert. Foto: Michal Jarmoluk
Prof. Dr. Lutz Schneider, Foto: Hochschule Coburg
Prof. Dr. Lutz Schneider, Foto: Hochschule Coburg

Das staatliche GRW-Förderprogramm soll dafür sorgen, dass Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen entstehen und das Einkommen steigt. Ob das tatsächlich funktioniert, haben das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und der Volkswirtschaftsprofessor Lutz Schneider von der Hochschule Coburg erforscht.

Die Wirtschaft in der Region Coburg hat eine andere Struktur als die in München. Und generell ist der Osten Deutschlands strukturschwächer als der Westen. Die Rahmenbedingungen sind unterschiedlich. Aber die Lebensverhältnisse der Menschen in Deutschland sollen überall gleich sein, deshalb wurde die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) ins Leben gerufen - und das schon in den 1960er Jahren. "GRW ist ein Instrument, um wirtschaftliche Nachteile in strukturschwachen Gegenden auszugleichen und die Lebensverhältnisse anzugleichen", erklärt Prof. Dr. Lutz Schneider, Volkswirtschaftsprofessor an der Hochschule Coburg. "Die Förderung unterstützt Kommunen in strukturschwachen Regionen, wenn sie in wirtschaftsnahe Infrastruktur wie ein Gewerbegebiet investieren", sagt Schneider. "Vor allem ist die GRW aber bedeutend, weil Unternehmen direkte Zuschüsse für ihre Investitionsvorhaben bekommen."

Aber was sind eigentlich strukturschwache Regionen? Und bringt die Regionalförderung überhaupt etwas? Um das zu beurteilen, hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ein Evaluationsgutachten für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt, an dem außerdem der Coburger Ökonom Schneider beteiligt war. Das IWH untersuchte dabei, ob sich einzelne Betriebe durch die staatliche Hilfe besser entwickelt haben als sehr ähnliche Betriebe, die keine Förderung bekamen. Lutz Schneider verglich die wirtschaftliche Entwicklung von geförderten Regionen mit Regionen ohne Förderung. Er analysierte Daten wie Arbeitslosenquote oder Bruttoinlandsprodukt im jeweiligen Landkreis. Die Ergebnisse für den Zeitraum von 2000 bis 2017 wurden jetzt vorgelegt. "Sie sind eindeutig. Sie belegen sowohl auf betrieblicher als auch auf regionaler Ebene die positiven Effekte der Investitionsförderung."

Die Beschäftigungszahl in GRW-geförderten Betrieben wächst demnach bis fünf Jahre nach Ende der Förderung um knapp zwölf Prozentpunkte stärker als in vergleichbaren, nicht geförderten Betrieben. Die Produktivität würde mathematisch gesehen statt um zwei um satte vier Prozent zunehmen, wenn die Regionalförderung bei 1.000 Euro pro Erwerbstätigem läge. "Sie liegt aber aktuell bei nicht einmal zehn Euro. Das Wachstum steigt damit nur um 0,02 Prozentpunkte." Durch die geringe Fördersumme hat die GRW auch eher moderate ökonomische Bedeutung. "Aber die Effekte sind statistisch nachgewiesen."

Für die GRW stellen Bund und Länder derzeit etwa eine Milliarde Euro zur Verfügung. "Klingt viel", sagt Schneider, "aber bei einem Bruttoinlandsprodukt von 3,4 Billionen ist es nicht besonders viel." Anfang der 90er war es im Verhältnis zum damaligen Bruttoinlandsprodukt das zehnfache. Das war auch die Zeit, in der die ostdeutschen Regionen stark aufholten. "1991 lag die Produktivität bei 30 bis 40 Prozent des Westniveaus. Heute sind es etwa 80 Prozent, wobei sich das Aufholen ab der Jahrtausendwende stark verlangsamt hat", erklärt Schneider. "Trotzdem ist das nicht schlecht."

Aus europäischer Sicht stehen die meisten Gebiete Deutschlands gut da. Deshalb musste auch die Zahl der GRW-Fördergebiete weniger werden: Die EU erlaubt die Unterstützung strukturschwacher Regionen, aber keine Subventionen, die den Wettbewerb verzerren. Und da von europäischen Mittelwerten ausgegangen wird, gelten in Deutschland nicht allzu viele Landkreise als strukturschwach. "In Bayern sind nur die, die an Tschechien angrenzen, so eingestuft." Coburg fiel 2014 raus. "Wenn man nur auf München blickt, vergisst man, wie gut es uns hier geht", sagt Schneider." Nach großen Umbrüchen in traditionellen Branchen hat der Raum Coburg die Förderung für strukturschwache Gebiete heute nicht mehr nötig. "Die Region entwickelt sich gut."

Hier geht's zur Studie „Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW)“ .