„Das betrifft uns alle!“

Freitag. 29. Juni 2018 (Anke Hempfling)
Prof. Dr. Niko Kohls (rechts) im Gespräch mit Prof. Dr. Loren Toussaint (2.v.r.) und Teilnehmer*innen eines Workshops im Rahmen des Konsortiumtreffens.
Was bedeutet es, Gesundheitsförderer zu sein? Das diskutierten auch Christina Röhrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang Gesundheitsförderung, und Prof. Dr. Jameson Hirsch.

Wie bekommt man Menschen dazu, bewusst zu leben und sich mit ihrer Gesundheit zu beschäftigen? Das diskutierte kürzlich eine internationale Forschergruppe an der Hochschule Coburg.

„Wenn ich Leute frage, welche Stressfaktoren es in ihrem Leben gibt, dann höre ich zuerst immer Dinge wie Geldprobleme oder Zeitdruck. Was viele vergessen, ist, dass auch Konflikte mit anderen Menschen sehr belastend sein können. Vergebung kann ein Weg sein, damit fertig zu werden“, sagt Prof. Dr. Loren Toussaint. Er arbeitet am Luther College in Iowa an einer Studie über das Verzeihen. Seine bisherigen Ergebnisse: „Wer anderen Menschen verzeiht, verbessert seine mentale Gesundheit, ist weniger depressiv, weniger ängstlich, stärkt seine körperliche Gesundheit – und lebt sogar länger!“ Oft stelle sich bei seinen Forschungen heraus, dass Menschen viel härter mit sich selbst ins Gericht gehen, als mit anderen. „Jemand, der sich selbst vergeben kann, profitiert doppelt so stark davon.“ Deshalb rät Professor Toussaint: „Wenn dich jemand verletzt, wäre es toll, wenn du ihm verzeihen könntest. Wenn du es nicht kannst - vergiss es! Arbeite daran, dir selbst zu vergeben und du wirst sehr wahrscheinlich einen großen gesundheitlichen Nutzen daraus ziehen.“

Loren Toussaint ist Mitglied der internationalen Forschergruppe für Gesundheitsförderung in der Medizin und Psychologie, die sich vor zwei Jahren zusammengefunden hat. Dort bringt er seine Forschungsergebnisse ein und tauscht sich mit seinen Kollegen darüber aus. „Oft stoßen wir dadurch ganz neue Gedanken an, auf die man alleine nie gekommen wäre“, sagt der Professor aus den USA. Und genau darum geht es beim „International Consortium for Health Interventions & Promotions in Medicine and Psychology“ (I-CHIPMAP). Initiator ist Prof. Dr. Niko Kohls von der Hochschule Coburg, deshalb finden die Treffen zum Netzwerken und zum gemeinsamen Austausch in Oberfranken statt. Auch gemeinsame Forschungsprojekte wie „Gesundheitsförderung in der Allgemeinarztpraxis“ von Prof. Dr. Kohls und Prof. Dr. med. Jörg Schelling aus München sind so schon entstanden.

Aus Sheffield in Großbritannien war Prof. Dr. Fuschia Sirois angereist. Dort unterrichtet sie Gesundheitspsychologie: „Ich untersuche, wie sich zum Beispiel Perfektionismus oder Einsamkeit auf die Gesundheit auswirken und wie wichtig es ist, positiv durch das Leben zu gehen.“ Ihr Ziel ist es, den Menschen eine Art Selbstmitgefühl zu vermitteln und sie so zu befähigen, sich mit ihrer Gesundheit zu beschäftigen. Viele Länder kämpfen global mit denselben Problemen, wenn es um Gesundheitsförderung geht. Zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung und Übergewicht sind überall in der westlichen Welt erhebliche Risikofaktoren. „Deshalb brauchen wir eine internationale Forschergruppe, denn das betrifft uns alle. Wir müssen mit den Ärzten in Krankenhäusern ins Gespräch kommen, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Nur so können wir mit unserer Forschung die realen Probleme anpacken“, sagt Sirois.

Interdisziplinäre Kooperationen mit Kliniken der Region

Der interdisziplinäre Austausch ist auch für Dr. Christian Vajda vom Uniklinikum Graz eine zentrale Notwendigkeit, um in der Medizin offen für Neues zu bleiben: „Nur so können wir über gedankliche Grenzen hinwegsehen, weil jedes Mitglied dieses Konsortiums unterschiedliche Erfahrungen einbringt und wir voneinander profitieren.“

Jedes Mal, wenn Loren Toussaint nach Coburg kommt, hat er das Gefühl, er reise 20 Jahre in die Zukunft: „Wir arbeiten eng mit den REGIOMED-Kliniken und dem Klinikum Kulmbach zusammen. Die Menschen hier sind sehr offen, motiviert und enthusiastisch im Hinblick auf unsere Arbeit. Sie versuchen, Gesundheitsförderung in eine Art medizinisches Modell zu integrieren. Wie das amerikanische Gesundheitswesen dagegen aufgestellt ist, ist peinlich!“ Da kann ihm sein Kollege und Landsmann, Prof. Dr. Jameson Hirsch, nur zustimmen. Er lehrt an der East Tennessee State University im Fach Psychologie. Das Konsortium bietet für ihn die Möglichkeit, seiner Forschung eine internationale Perspektive hinzuzufügen: „Die Gesundheitssysteme in Deutschland und den Vereinigten Staaten unterscheiden sich erheblich. In den USA leben viele Menschen in Armut und ohne Versicherung. Meiner Meinung nach ist das eine Herausforderung für unser Land, Menschen für ihre Gesundheit zu sensibilisieren. Deshalb ist der Austausch von Ideen so wichtig, denn nur so können wir voneinander lernen. Studierende der Hochschule Coburg können außerdem an unseren Forschungsaktivitäten teilhaben. Dabei gewinnt jeder: unsere Gruppe, die Studierenden, die Hochschule und der gesamte Fachbereich.“