Das Leben leichter machen

Donnerstag. 28. Juli 2016 (Madelaine Ruska)
Zero Nabo aus Syrien trägt seine Heimat jetzt als Armband.
Mit einfachen Mitteln haben Studierende und Geflüchtete Möbel hergestellt.
Die Rettungsinsel Spin Up hat Daniel Härdtl entworfen, um Flüchtlingen in Seenot besser helfen zu können.

Ein bisschen mehr Privatsphäre, ein bisschen weniger Sorgen. Angehende Produktdesigner der Hochschule Coburg haben in einem Projekt mit Flüchtlingen ihre Kreativität bewiesen und zeigen: Mit kleinen Gesten kann man schon viel erreichen.

Was haben Menschen durchgemacht, die ihre Heimat verlassen mussten? Die kilometerweit geflohen sind – dabei vielleicht sogar ihre Familie verloren oder im Krieg zurückgelassen haben. Und wie kann man ihnen helfen? Ihr Leben wieder ein bisschen leichter machen? Das war Aufgabe für Studierende des 4. Semesters Integriertes Produktdesign unter Leitung von Prof. Peter Raab. „Ich finde sehr schön, wie breit gefächert die Ergebnisse sind“, lobt Raab bei der Präsentation der Arbeiten am Campus Design der Hochschule.

Ein Semester hatten die Studierenden Zeit zu recherchieren, sich mit Flüchtlingen zu treffen, Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Am Ende sind neun verschiedene Arbeiten entstanden. Viele greifen vor allem einen emotionalen Aspekt auf: Den Verlust der Heimat erträglicher machen, Zukunftsängste nehmen oder die aktuelle Lebenssituation besser gestalten. Zum Beispiel in den Erstaufnahmelagern und Notunterkünften. Hier setzt Annika Tessmer an. Mit ihrem Trennwandsystem für Feldbetten - Recovee - will sie mehr Privatsphäre und eigenen Stauraum im Bettenlager schaffen. Drei feste Seitenwände bieten einen Rückzugsort und die Gelegenheit, auch mal Wäsche aufzuhängen und für etwas Ordnung zu sorgen. Die vierte Seite kann durch einen Vorhang je nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden.

Georg Bayerlein, Felix Klein und Moritz Schroer haben mit einer Gruppe Flüchtlinge Möbel gebaut; aus einfachen Dingen, mit gespendeten Werkzeugen. Da wurden Lattenroste zu Schaukelstuhlkufen umfunktioniert, ein paar Bretter zum Regal zusammengebaut. Wer vorbeikam, konnte mitmachen. „Wir wollten auch erreichen, dass andere Studierende Kontakte zu den Flüchtlingen knüpfen“, erklärt Georg Bayerlein. Am Ende hatten die einen eine Aufgabe und ein persönliches Möbelstück, die anderen waren um ein paar Erfahrungen reicher.

Einige der Geflüchteten sind extra zur Präsentation der Studierenden gekommen. Auch der junge Syrer Zero Nabo. Er hat beim Projekt von Inga Hamelmann und Nam Fon Nather mitgemacht. Die zwei haben Kettenanhänger, Ohrringe oder Armbänder gefertigt, deren Form die Heimat der Geflüchteten darstellt. Das Straßennetz aus der Ansicht bei Google Maps dient dafür als Vorlage. Das Haus oder das Viertel, in dem man gewohnt hat, kann man als farbigen Einsatz markieren. „Wir können niemandem die Heimat zurückgeben. Aber wir können eine Möglichkeit schaffen, sich immer daran zu erinnern“, erklärt Nam Fon Nather.

Dass der Abschied aus der Heimat mit vielen Gefahren verbunden ist, hat den Studenten Daniel Härdtl beschäftigt. Ginge es nach dem Produktdesigner wäre jedes Boot, das auf den Routen der Flüchtlinge unterwegs ist, mit seiner flexiblen Rettungsinsel Spin up und der passenden Abschussvorrichtung versehen. „Rettungsringe sind teuer“, weiß Härdtl. „Und es sind einfach viel zu wenige an Board, um alle Menschen im Wasser schnell zu erreichen.“ Spin up wird vom Boot aus in die Luft katapultiert. Durch die Rotation öffnet sich eine Druckluftkartusche und bläst die Insel auf. Die knallige Signalfarbe ist von Weitem gut sichtbar. Und sollte es Nacht werden, können die in Seenot Geratenen biolumineszente Algen freisetzen. Die verteilen sich im Wasser und leuchten. Sogar beim Material der Rettungsinseln hat Härdtl mitgedacht. „Sie bestehen aus Biopolymeren. Nach ca. zwei Wochen zersetzt sich die Insel selber.“

"Dass wir als Designer nicht in Syrien eingreifen können, ist klar", sagt Raab. Ihre Kreativität haben sie auch so bewiesen und dabei gleich noch ein paar neue Freunde gewonnen.