Design-Studium - geht das auch online?

Donnerstag. 07. Mai 2020 (Pia Dahlem)
Professor Dr. Michael Heinrich
Professor Dr. Michael Heinrich wartet auf die Öffnung der Werkstätten
Professor Rudolf Schricker
Professor Rudolf Schricker bei einer Online-Vorlesung

Online-Vorlesungen sind mittlerweile Normalität geworden und funktionieren gut. Bei einigen Studienrichtungen braucht es jedoch noch mehr Kreativität, um Wissen virtuell zu vermitteln. Das verrät ein Blick auf die Designfächer der Hochschule Coburg. 

„Aus der Not heraus entsteht etwas Positives, das ist eigentlich im Designgedanken implementiert. Wir Designer haben eine Vision und arbeiten darauf hin und plötzlich erwächst etwas.“ So beschreibt Rudolf Schricker die aktuelle Lehrsituation. Der Professor für Innenarchitektur erzählt, dass er normalerweise gerne gemeinsam mit den Studierenden am Tisch Ideen entwickelt, Modelle baut, zeichnet. Er war bis vor wenigen Wochen davon überzeugt, dass das nicht anders geht. Diese Meinung vertrat bislang auch Professor Dr. Michael Heinrich. Als Studiendekan ist er zuständig für die Qualität der Lehre in der Fakultät Design. “Gestaltung hat natürlich eine theoretische und konzeptionelle Seite, die wir mit Vorlesungsformaten relativ gut in Online-Lehre umsetzen können. Und hier ist uns schon jetzt gelungen, einen beträchtlichen Teil der Lehrveranstaltungen online abzubilden.“

So nah wie nie

Professor Schricker möchte mittlerweile die Online-Vorlesungen nicht mehr missen. Den Austausch mit den Studierenden erlebt er sehr positiv: „Man sitzt sich eins zu eins gegenüber und hat gleichzeitig alle vor sich.“ Da die Online-Veranstaltungen ganz anders als herkömmliche Vorlesungen vorbereitet werden müssen, hat Schicker nochmal den ganzen Stoff neu aufbereitet und auf diese Weise für sich selbst Vieles neu entdeckt. Das intensive Vor- und Nachbereiten und der gemeinsame Austausch mit den Studierenden schildert er begeistert: „Es ist erstaunlich, aber wir sind uns so nahe wie nie, es ist paradox aber es beschreibt die Situation.“ Michael Heinrich hat sich mit den Umständen arrangiert, obwohl er lieber real mit den Studierenden zusammen ist: „Nach einem anfänglichen großen inneren Widerstand gehe ich jetzt spielerisch und optimistisch mit den Möglichkeiten um. Gerade jetzt brauchen die Studierenden die gute Laune und positiv gestimmte Zuwendung von uns Lehrenden mehr denn je.“ Zu Beginn der Online-Vorlesungen wird daher kurz aus dem Nähkästchen geplaudert oder Professor Heinrich lässt ein wenig Musik laufen, bis alle Studierenden sich zugeschaltet haben.

Praxis ohne Werkstatt geht nicht

Solange die Labore und Werkstätten geschlossen sind, heißt es einfach: warten auf Lockerungen, der nötigen Beschränkungen. Professor Heinrich ist überzeugt, dass der Umgang mit Material und die Aneignung handwerklicher Fertigungskompetenzen nicht ohne direkten Kontakt und dem „individuellen Über-die-Schulter-schauen“ funktionieren kann. Er gibt zu bedenken, dass Online-Veranstaltungen nicht alles ersetzen können: „Eine pauschale Erwartung, Online-Lehre könnte ganz allgemein Präsenzlehre überflüssig machen, halte ich für schlichtweg unvereinbar mit grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir wissen, dass kognitive und soziale Lernprozesse stark an Embodiment gekoppelt sind, also an körperliche und sensomotorische Aspekte des Erlebens. Außerdem ist unbestritten, dass die Bindung an eine Lehrperson das Lernen qualitativ stark vertiefen kann.“ Lernende brauchen direkte, spürbare Bindung an Gruppen und Lehrpersonen. Das gibt ihnen Halt und lässt sie motiviert und aktiv an die Herausforderungen des Studiums herangehen. Heinrich sieht in der momentanen Situation – bei allen technisch neuen Möglichkeiten – eher eine Durststrecke, was diese wichtigen Komponenten sozialer Kohärenz betrifft. Die Arbeit in der Praxis wird wohl noch solange warten müssen, bis alle wieder gemeinsam in den Werkstätten sein dürfen. 

Virtuelle Welten statt realer Modelle

Professor Schricker geht in seinen Vorlesungen indes Schritt für Schritt weiter. Bald stehen Entwürfe für ein Projekt an. Für Licht- und Raumkonzepte gibt er Literaturempfehlungen, dazu schreiben die Studierenden ein Fazit, das dann diskutiert wird. Schicker sieht es im Moment ganz pragmatisch. Anstatt realer Modelle entstehen eben virtuelle Welten und: „Auch händische Zeichnungen können gescannt werden und sind so schnell digital verfügbar.“