Die Digitalisierung des Genusses

Freitag. 29. Mai 2020 (Natalie Schalk)
Ein Konzept der Hochschule Coburg trifft auf einen leidenschaftlichen Grillmeister aus Hirschaid: Manfred Jekal mit der Super-Pizza: supergesund und superlecker. Foto: privat
Prof. Dr. Holger Hassel. Foto: Hochschule Coburg
Ingrid und Dietmar Vetter. Foto: privat

Prof. Dr. Holger Hassel von der Hochschule Coburg hat das Projekt GUSTO mit seinem Team entwickelt, um Senioren leckere, gesunde Ernährung zu vermitteln - aber die wichtigen Treffen gibt es wegen Corona aktuell nicht. Die Zeit muss überbrückt werden. Eine GUSTO-Gruppe aus Hirschaid zeigt, wie die ältere Generation den Sprung in die digitale Welt schafft.

Gabi Wolf und Paul Popp plaudern über die hübschen "Gässla" Bambergs, als Manfred Jekal sich dazu gesellt. Gleich darauf, pling-pling, kommt wieder jemand: "Hallo? Hier ist der Alfred!" Einer nach dem anderen wählt sich in die Telefonkonferenz ein. Zumindest ein bisschen ist es wie ein richtiges Treffen. Als das Projekt "GUSTO - gemeinsam gesund älter werden mit Genuss" im Januar in Hirschaid (Kreis Bamberg) startete, freuten sich die Seniorinnen und Senioren auf ausgiebige Gespräche im Kino-Café Senioren-Treffpunkt. Das war schon zwei Monate später vorbei. Corona machte es unmöglich, dass sie sich zusammensetzen.

GUSTO ist ein Projekt der Hochschule Coburg, das derzeit in knapp einem Dutzend bayerischer Kommunen umgesetzt wird. Prof. Dr. Holger Hassel, Leiter des Instituts für angewandte Gesundheitswissenschaften, hat mit seinem Team ein Konzept entwickelt, um die Ernährungs- und Gesundheitskompetenz älterer Menschen zu analysieren und zu fördern. Dabei wird stark auf Gruppendynamik gesetzt. Durch die Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen werden auch Menschen erreicht, die sich durch klassische Bildungsangebote weniger angesprochen fühlen. "Die kommen in erster Linie, weil sie Spaß haben", sagt der Professor - später, in einem anderen Telefonat. Bei der Konferenz der Hirschaider ist er nicht dabei. Die GUSTO-Gruppen bekommen Material und Anregungen von der Hochschule, organisieren sich aber selbstständig. "Wir versuchen jetzt, die Zeit mit digitalen Mitteln zu überbrücken", erklärt Hassel. Von der Postkarte über Email-Austausch bis zu Telefonketten ist alles dabei.

Küchenkönner am Telefon

Die Hirschaider nutzen vor allem WhatsApp, um sich gegenseitig mit Fotos und Rezepten gesunder Mahlzeiten anzuspornen. Und um ein wenig zu plaudern. Das tun sie auch heute in der Telefonkonferenz als Dietmar Vetter fragt: "Wer mag eigentlich Pizza?" Gabi Wolf lacht gerade heraus: "Was für eine Frage! Ich mag Pizza, mein Mann mag Pizza. Jeder mag Pizza." Pizza ist ein Genuss - das passt grundsätzlich zum GUSTO-Gedanken. Aber kann Pizza auch gesund sein? In diese Richtung steuern Dietmar und Ingrid Vetter das Gespräch. Wie alle GUSTO-Gruppenleiter stammen sie aus der gleichen Kommune und der gleichen Altersgruppe wie die Teilnehmer, wurden aber für ihre Aufgabe speziell geschult. Gefördert wird das Projekt der Hochschule Coburg vom Bayerischen Gesundheitsministerium im Rahmen der Initiative Gesund.Leben.Bayern und ist für die Teilnehmer kostenlos. Heute ist Gemüse Thema. Vetters haben die Unterlagen der Hochschule Coburg per Post und per WhatsApp an die Gruppe geschickt. Darunter Fotos von zwei Tiefkühl-Pizza-Kartons. Beide vegetarisch, eine bio. Die Hirschaider diskutieren am Telefon über Bio-Siegel, regionale Produkte, Vitamine, Ballaststoffe und über zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse, die täglich auf einem gesunden Speiseplan stehen sollten. Gabi Wolf protestiert: "Ich ess' nicht fünf Mal am Tag!", aber das lässt Ingrid Vetter nicht gelten: "Auch ein Glas Saft zählt", sagt sie.

Superfood auf Italienisch

Manchmal ist auch Pizza eine Portion Gemüse. "Schaut euch mal die Zutaten bei den gekauften Pizzen an", sagt Dietmar Vetter. Es sind 140 Gramm Gemüse enthalten - für zwei Personen. Bei den Pizza-Rezepten in den den GUSTO-Unterlagen sind es locker 600 Gramm Gemüse. Ein paar Tage später backt Manfred Jekal so eine Pizza auf dem Stein seines Gasgrills. Statt fettem Käse wird das Superfood Avocado verwendet. Das Ergebnis? "Sehr gut", versichert Jekal und schickt per WhatsApp gleich ein Foto. Corona treibt die Digitalisierung voran. "Nachdem wir alle zur Risikogruppe gehören, müssen wir neue Wege probieren", sagt Dietmar Vetter. Aber wenn die Gruppe sich wieder richtig treffen kann, wird gefeiert. Ganz analog. Mit Pizza bei Manfred.
 

Rezept Tomaten-Avocado-Pizza

(2 Portionen)

  • 250g Dosentomaten (stückig)
  • 1 - 2 TL Honig
  • 1 - 2 TL Chilisoße
  • etwas Zitronensaft
  • 1 EL italienische Kräuter (frisch)
  • ½ TL Paprikapulver und
  • etwas Salz

verrühren und abschmecken.

  • 2 Stück Pizzateig mit der Tomatensoße bestreichen
  • 175 g Kirschtomaten (gewaschen, geputzt, halbiert) auf dem Teig verteilen.

Die Pizza im vorgeheizten Backofen (200 Grad Umluft) backen. Dann

  • 1 Avocado (geschält, halbiert, entkernt und in schmale Spalten gechnitten) zusammen mit
  • 1 Handvoll Rucola (gewaschen, geputzt und trocken geschleudert) auf den Pizzen verteilen.

 

Weitere Informationen

Mehr zum Projekt gibt's auf www.gusto-jetzt-genieße-ich.de