Ein dritter Campus für Coburg

Freitag. 28. Mai 2021 (Natalie Schalk)
Blick auf das Areal. Foto: Hochschule Coburg
Jana Melber auf der Baustelle der Kühlhalle. Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg
Mit dem Güterbahnhof verbindet Zukunftswerkstatt-Teilnehmer Axel Lindner auch persönliche Erinnerungen – an seinen Vater Emil Lindner (auf dem Foto in der Mitte), der als Bahnbeamter sein ganzes Berufsleben dort verbrachte. Foto: Archiv Axel Lindner

Für all ihre vorhandenen Aufgaben und die neuen Entwicklungen hat die Hochschule Coburg nicht mehr genug Raum. Sie möchte auf dem Schlachthof- und Güterbahnhofsareal einen dritten Campus entwickeln und dieser Prinz-Albert-Campus soll auch die Industriebrache wiederbeleben und die ganze Stadt bereichern. Deswegen startete eine „Zukunftswerkstatt“ für das Gelände.

Auf dem Bildschirm sausen gelbe, blaue, graue, grüne Namen hin und her. Wegen der Corona-Pandemie findet die „Zukunftswerkstatt“ nicht auf dem alten Schlachthofgelände in der Villa bei CREAPOLIS statt. Sondern in einem virtuellen Raum. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Innovations- und Vernetzungsplattform der Hochschule sitzen an diesem Abend im Homeoffice vor den Computern. Die Teilnehmenden der Zukunftswerkstatt auch: Rolf, Simone, Felix, Julia und die anderen schreiben Begriffe auf, die ihnen zu dem Areal einfallen: „Holunderdschungel“ zum Beispiel. Itz, Leuchtturmprojekt, Innovation & Kreativität – immer mehr Wörter, Ideen, Assoziationen folgen.

Wären alle gemeinsam in einem realen Raum, würden sie jetzt Zettel auf Pinnwände sortieren. Im Online-Workshop flitzen die Teilnehmenden als bunte Namen auf dem Bildschirm zu verschiedenen virtuellen Boards, klicken sich rein, legen dort ihre digitalen Notizzettel ab. Parallel zu dieser Gruppenarbeit im Tool „miro“ läuft eine Videokonferenz über die Plattform Zoom. Jana Melber hat das bewährte Veranstaltungsformat der Zukunftswerkstätten in einer digitalen Variante auf die Coburger Bedürfnisse zugeschnitten. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei CREAPOLIS und schreibt ihre Doktorarbeit über die Stadtentwicklung auf dem Gelände.

Interessen von heute, morgen, übermorgen

Der historische Gewerbestandort hatte große Bedeutung für die Entwicklung Coburgs. Nach Schließung des Schlachtbetriebes 2013 entdeckten Pioniere aus Stadt und Hochschule hier neue Möglichkeiten. „All die Veranstaltungen zur Reaktivierung des Areals in den letzten Jahren zeigen, was dieser Ort der Stadt Coburg zurückgeben kann und was er für ein Potenzial für die Hochschule hat“, sagt Jana Melber. In der Zukunftswerkstatt diskutieren an diesem Abend Bürgerinnen und Bürger in moderierten Kleingruppen, welche Interessen heute, morgen und übermorgen auf dem Gelände berücksichtigt werden sollten. „Entscheidend ist dabei die Möglichkeit der Teilhabe. Das Wissen vieler fließt mit ein“, erklärt Melber. In sieben weiteren interaktiven Online-Workshops kamen im April und Mai 2021 weitere Zielgruppen zu Wort: von Hochschulangehörigen über die Politik bis zur Wirtschaft. Über 100 Menschen. In der Moderation und der Durchführung dieser umfangreichen Workshops unterstützen Studierende und Prof. Mario Tvrtković von der Fakultät Design im Rahmen eines Seminars zu partizipativen Prozessen in der Stadtentwicklung.

Freiräume gewünscht

„Manche Punkte wurden in jeder Gruppe angesprochen, zum Beispiel der Wunsch nach Freiräumen auf dem Gelände“, fasst Melber zusammen. Der „unfertige“, experimentelle Charakter des Ortes soll in Teilen erhalten bleiben, außerdem waren beispielsweise essbare Campusgärten Thema, ein Lernort für Nachhaltigkeit und Klima, verschiedene Ideen, um die Itz zu erleben, ein Gästehaus und Mehrfachnutzungskonzepte, bei denen Räume abends für Theater, Bürgerversammlung oder Unternehmensveranstaltungen zugänglich sind. Die Ideen sollen dazu beitragen, den Prinz-Albert-Campus PAC zu einem Aufenthalts- und Begegnungsort von Hochschule, Bevölkerung und Unternehmen zu machen.

Mit dem Umbau der stillgelegten Kühlhalle hat die Stadt Coburg im Herbst 2020 die Neugestaltung des Geländes begonnen. CREAPOLIS, die Innovations- und Vernetzungsplattform der Hochschule, wird 2022 gemeinsam mit dem digitalen Gründerzentrum Zukunft.Coburg.Digital aus der Schlachthofvilla in die Kühlhalle umziehen. In den nächsten zwei Jahren wird als weiterer Bestandteil in der Entwicklung des Areals ein Forschungsbau für künstliche Intelligenz (KI) realisiert, finanziert im Zuge der HighTech-Agenda der Bayerischen Staatsregierung. Die Planungsarbeiten – auch gemeinsam mit dem zuständigen Staatlichen Bauamt Bamberg – sind sehr weit fortgeschritten.

Bis etwa 2030 wird sich der Campus nach und nach weiterentwickeln, beispielsweise durch Lehr- und Forschungsgebäude für Mathematik und Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT), die am Campus Friedrich Streib keine Entwicklungsoption haben. Die CREAPOLIS-Zukunftswerkstatt ist ein Werkzeug zur Planung dieses Projekts. Außerdem gibt es an der Hochschule eine PAC-Gruppe und einen Expertenpool. Die erweiterte Hochschulleitung und die Abteilung „Infrastruktur / Bauen“ beschäftigen sich intensiv mit dem Thema und beraten den zuständigen Lenkungsausschuss rund um Präsidentin Prof. Dr. Christiane Fritze und Kanzler Dr. Matthias Kaiser. Vieles hängt außerdem von externen Faktoren ab.

Finale am 7. Juni

Die Ideen von Rolf, Simone, Felix und Julia, von Axel, Corinna, Rupert und den anderen beeinflussen die weitere Entwicklung – auch, wenn sie nicht 1 : 1 umgesetzt werden. „Durch die Beschäftigung mit dem Thema und die Forschungsaktivitäten vor Ort soll Wandel ausgelöst werden“, erklärt Jana Melber das Prinzip der transformativen Forschung. „Die Zukunftswerkstatt ist auch ein Experiment, ob das klappt oder nicht.“ Die Stadt Coburg hat bereits die Bereitschaft angekündigt, die Hochschule in diesem Vorhaben voll zu unterstützen. Auch die Signale aus München sind positiv.

Einblick in den aktuellen Stand der Zukunftswerkstatt gibt‘s in der Rubrik Events auf www.creapolis-coburg.de. Hier können sich Interessenten auch für das „Finale“ registrieren: Am Montag, 7. Juni, ab 18 Uhr werden in einer Videokonferenz über Zoom die Dokumentation und erste Handlungsempfehlungen präsentiert.