„Ein Seminar ist vergänglich. Ein Online-Seminar bleibt.“

Freitag. 30. Oktober 2020 (Natalie Schalk)
Prof. Dr. Matthias Mörz und Studentin Janna Büschel diskutieren im Labor für Nachrichtentechnik über elektronische Flipflops und Online-Lehre.
Janna Büschel studiert online. Foto: Hochschule Coburg / Julian Uebe

Wer bei einem Fachvortrag die Pausetaste drücken kann, weiß, dass digitale Lehre auch Vorteile hat. Prof. Dr. Matthias Mörz und Studentin Janna Büschel gewähren Einblick in eine neue Form des Praxisseminars an der Hochschule Coburg.

Nicht alle Studierenden haben im letzten Sommersemester online gelernt. „Ich hatte da mein Praxissemester im Unternehmen“, erklärt Janna Büschel. Sie studiert Elektro- und Informationstechnik und ist seit Oktober wieder zurück an der Hochschule Coburg. Gerade diskutiert sie im Labor für Nachrichtentechnik mit Prof. Dr. Matthias Mörz über Flipflops. Keine Schuhe: Elektrotechniker bezeichnen so einen bestimmten Typ von elektronischen Schaltungen. Mörz und Büschel sitzen auf Barhockern an zwei Stehtischen im Labor. Darüber hängt ein großer Bildschirm. „Mein Laptop lässt sich über einen Dongle drahtlos damit verbinden“, sagt Büschel. Wenn es die aktuelle Corona-Situation zulässt, können die Studierenden hier in Kleingruppen arbeiten. Persönliche Begegnungen, Kontakte untereinander, sind wichtig.

Dank ihrem Hygienekonzept kann die Hochschule auch in Corona-Zeiten vieles ermöglichen. Auch wurde beispielsweise mit strömungsmechanischen Tests geprüft, wie sich Aerosole im Hörsaal verteilen und wo die Studierenden dementsprechend sitzen dürfen. Aber die Zahlen entwickeln sich dynamisch und die Entscheidungen werden der jeweiligen Entwicklung angepasst. Eine Corona-Taskforce legt regelmäßig fest, welche Schritte aktuell nötig sind, um die Infektionsgefahr einzudämmen und entscheidet, wie die Regelungen von Regierung und Wissenschaftsministerium vor Ort umgesetzt werden.

Pause! Und jetzt zurückspulen ...

Der Übergang von Präsenzveranstaltungen zur Online-Lehre ist gleitend. „Wir haben ein Referat für Didaktik und digitale Lehr- und Lernformate“, erklärt Mörz. „Dort hat uns unsere Kollegin Sarah Lohkamp sehr unterstützt: „In unserer Online-Lehrplattform arbeiten wir in digitalen Kursräumen. Es ist auch eine Videoplattform integriert. Technisch ist das für uns kein Problem.“ Der Professor für Informations- und Kommunikationstechnik sieht in der Digitalisierung große Chancen: „Ein Seminar ist vergänglich. Ein Online-Seminar bleibt“, sagt er. Janna Büschel stimmt zu: „Ja. Und man kann auf Pause drücken, zurückspulen und etwas noch einmal anschauen.“

Wenn die Veranstaltung vorbei ist, bleiben die Inhalte abrufbar. Büschel öffnet auf dem großen Bildschirm die Präsentation, die sie über ihr Praxissemester erstellt hat. „In einem Seminar am Ende des Praxissemesters müssen die Studierenden ihr Thema vor dem Professor und ihren Kommilitonen präsentieren“, sagt Mörz. „Früher hielten 50 Teilnehmer verteilt auf zwei Hörsäle ihre Vorträge. Fragen kamen dabei oft zu kurz. Alles war sehr durchgetaktet.“ Dieses Jahr fand das Seminar ganztägig online in zwei Gruppen statt. Büschel berichtet, dass sie durch ihre Präsentation viel gelernt hat. „Erst hatte ich viel zu viele Folien. Ich habe alles gestrafft, den Text eingesprochen und das Ganze als Video hochgeladen.“ Bei der Erstellung der Präsentation gab‘s Hilfe vom „Schreiblabor“ der Hochschule. Dort unterstützt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Stephanie Schmitt die Studierenden mit Workshops und Online-Tools dabei, wissenschaftliche Texte und Präsentationen zu erstellen.

Diskussionsketten im Chat

Janna Büschel scrollt durch ein Chat-Fenster am Rand ihrer Präsentation. Hier stehen die Fragen ihrer Kommilitonen. Florian wollte zum Beispiel von ihr wissen, ob es Kolbenstellungen gibt, die bei ihrem Thema besonders anfällig für Störungen sind. Drei Stunden später antwortete Janna Büschel ausführlich, welche Prüfkriterien beim Störfestigkeitstest festgelegt waren und was dabei herauskam. Jede Präsentation konnte mit persönlichen Notizen und Fragen im Kursraum versehen werden – der Austausch folgte nachmittags. „Ich wollte alles möglichst gut beantworten“, erinnert sich Büschel. „Es war schön, sich so intensiv damit auseinanderzusetzen.“ Sie scrollt durch das Dokument: Fragen, Antworten, Rückfragen. Mörz sagt: „Derartige Diskussionsketten hatten wir in Präsenzveranstaltungen nie.“

Das Spülmaschinen-Problem

Online-Studium ermöglicht individuelles Lernen. „Von einigen weiß ich, dass sie Videos in 1,25-facher Geschwindigkeit abspielen, wenn jemand langsam spricht“, erzählt Mörz. „Andere brauchen Zeit, wenn sie etwas fragen wollen.“ Er lächelt: „Unsere Studierenden in den technischen Studiengängen sind auch nicht immer die extrovertiertesten.“ Sie überlegen erst eine fachlich korrekte Formulierung, bevor sie eine Frage stellen. „Und dann ist vielleicht schon die nächste Folie voller Formeln und Diagramme da und man traut sich nicht mehr.“ Professor Mörz will diese Art von Online-Lehre auch nach Corona nutzen. „Wichtig ist, dass es eine funktionierende Kommunikation in beide Richtungen gibt, eine Rückmeldeschleife.“ Auch Janna Büschel gefallen die digitalen Formate. „Aber es war schon eine Umstellung, so vieles Zuhause zu machen.“ Sie lacht: „Spülmaschine einräumen, Wäsche sortieren - man darf sich nicht ablenken lassen.“ Und eines fehlt ihr trotz aller Vorteile: „die Menschen zu sehen.“