Gesundheit pflegen statt Krankheiten heilen

Freitag. 20. November 2015 (Iris Kroon-Lottes)
Die Fachtagung sollte zum Austausch über das Spannungsfeld, in dem sich die Gesundheitsförderung befindet, anregen.
Dr. Joachim Galuska von den Heiligenfeld-Kliniken spricht über die psychosoziale Lage in Deutschland.
Studiengangsleiter Prof. Dr. Eberhard Nöfer im Gespräch.

Seit 2005 gibt es den Studiengang Integrative Gesundheitsförderung (IGF). Zum 10-jährigen Bestehen lud die Hochschule Coburg zu Jubiläumsfeierlichkeiten ein, die im Rahmen einer Fachtagung stattfanden.

Vor zehn Jahren wurde der Studiengang Integrative Gesundheitsförderung (IGF) an der Hochschule Coburg ins Leben gerufen. Zum Jubiläum veranstaltete die Hochschule Coburg eine Fachtagung unter dem Motto: "Gesundheitsförderung im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Handeln in Gesellschaft und Organisationen". Experten aus Wissenschaft und Praxis gaben Einblicke in den aktuellen Stand der Gesundheitsförderung sowie in Forschung und Anwendung.

Die bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml, konnte die Fachtagung zwar nicht persönlich eröffnen, schickte aber per Videobotschaft ihre Grußworte nach Coburg. Darin lobte die Ministerin vor allem „den Weitblick der Verantwortlichen“, die vor zehn Jahren den Studiengang Integrative Gesundheitsförderung ins Leben gerufen haben.

Geburtshelfer der Integrativen Gesundheitsförderung

Zu den „Geburtshelfern“ gehört auch Hochschulpräsident Prof. Dr. Michael Pötzl, der sich an erste Ideen und Strukturen erinnerte. „Wir haben damals den Studiengang ohne zusätzliche Ressourcen auf den Weg gebracht“, lobte er das Engagement aller Beteiligten. Heute sei IGF ein Erfolgsmodell, das deutschlandweit viele Nachahmer habe. Gesundheit bedeutet Zukunft, deshalb sei ein Paradigmenwechsel wichtig: Statt Kuration müsse in unserer Gesellschaft stärker auf Prävention gesetzt werden. Ein Umdenken sei bereits spürbar: „Hier wird der Studiengang IGF noch viel bewegen können“, so Pötzl. Die Hochschule Coburg geht mit gutem Beispiel voran. Im Mai 2012 wurde sie erstmals in Bayern als „gesunde Hochschule“ zertifiziert.

Auch Prof. Dr. Tobias Esch, der als international renommierter Gesundheitswissenschaftler seit 2006 an der Hochschule Coburg und seit 2013 als Gastprofessor an der Harvard Medical School lehrt, unterstützte diese These. Der Experte kritisierte, dass die meisten Mediziner zwar über Präventionswissen verfügen, sich aber dafür nicht zuständig fühlen. Im Interview mit Moderator Werner Buchberger vom Bayerischen Rundfunk betonte er: „Wir dürfen nicht ausschließlich die Krankheiten im Blick haben, sondern sollten die Gesundheit pflegen. Wer heute zum Mediziner oder Therapeuten geht, ist bereits zu spät dran“. Sein Credo: Gesundheitsvorsorge bedeute zwar Arbeit, aber die lohne sich in jedem Falle. Das gelte besonders auch in den Betrieben bis in die Führungsetagen. „Die Ethik der Gesundheitsförderung muss sich aus der Gesellschaft heraus entwickeln“, erklärte der Experte.

Positive Entwicklung des Studiengangs

Dass die Einführung des Studiengangs Integrative Gesundheitsförderung ein Erfolg war, verdeutlichte Prof. Dr. Eberhard Nöfer, der Leiter des Bachelorstudienganges, mit aktuellen Daten und Zahlen. Durchschnittlich bewerben sich mehr als 400 Interessierte jährlich zum Wintersemester, gab Prof. Nöfer an, das entspreche etwa zehn Bewerbern pro Studienplatz, Tendenz steigend. 2015 zählte die Hochschule sogar über 600 Bewerber. Die Zahl der Studienabbrecher sei erfreulicherweise sehr niedrig. Die Studierenden nehmen alle am Projekt „Coburger Weg“ teil, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

In diesem Wintersemester ging das erste Mal der Masterstudiengang an den Start. „Wir haben lange daran konzipiert, um den Absolventen die Möglichkeit zur Qualifizierung zu geben“, erklärte die Leiterin des Masterstudiengangs Gesundheitsförderung Prof. Dr. Nicole Hegel. Ihr Traum sei es, in einigen Jahren ihre Absolventen in Führungspositionen der Unternehmen zu sehen. Betriebliches Gesundheitsmanagement solle aber nicht nur in großen Unternehmen, sondern auch im Mittelstand Einzug halten. Dazu forderte die Professorin eine ähnliche gesetzliche Untermauerung wie bei der Arbeitssicherheit.

Vorträge renommierter Experten

Am Nachmittag referierten Fachleute der Universität Heidelberg, der Heiligenfeld Kliniken, der Deutschen Bank sowie der Compass Group über Themen wie die Bedeutung der Gesundheitsförderung in Wissenschaft und Gesellschaft, den demografischen Wandel und die Herausforderungen an Unternehmen, die strategische Bedeutung des Personalmanagements oder die psychosoziale Lage in Deutschland hinsichtlich Burnout und Resilienz.

  • Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Kruse von der Universität Heidelberg sprach über Ziele und Inhalte des Alterns. Das Kerngebiet der Gesundheitsforschung beinhaltet für ihn, in allen Lebensbereichen vorhandene Ressourcen im Menschen zu entdecken. Was passiert, wenn alte Menschen gefördert werden und wie können Hochbetagte am gesellschaftlichen Leben weiterhin aktiv teilnehmen? Gesundheit sei kein Kapital, sagte der Experte, sondern „ein Gut, das wir ständig wieder neu erwerben müssen“.

  • Dr. Joachim Galuska von den Heiligenfeld Kliniken stellte den gesellschaftlichen Umgang mit der Seele in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Die Anzahl von psychischen und seelischen Erkrankungen sei in den vergangenen Jahren auch in Bayern stark gestiegen. Soziale Fähigkeiten und menschliche Beziehungen verändern sich. Es herrsche „Burn-out-Alarm“, betonte Galuska und verdeutlichte am Beispiel von Resilienz, welche psychischen Kompetenzen nötig sind, um in Krisensituationen nicht zu scheitern.

  • Maßnahmen und Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung erklärte Dr. Markus Reimann von der Deutschen Bank AG, der aktuelle Praxisbeispiele aus seinem Arbeitsbereich vorstellte. So hat die Deutsche Bank ein Pilotprojekt eingeführt, um dual Studierende mit Gesundheitsangeboten zu fördern. Außerdem gibt es interne Beratungs- und Coachingangebote für interessierte Mitarbeiter.

  • Dr. Frank Höning von Compass Group GmbH, dem größten Catering-Unternehmen weltweit, sorgte mit seinem Team nicht nur für eine gesunde und schmackhafte Tagungsverpflegung, sondern gab auch Einblicke in das betriebliche Gesundheitsmanagement, die Maßnahmen zur Arbeitssicherheit sowie in deren Dienstleistungsangebot. Das Fazit: „In einen gesünderen Lebensstil seiner Mitarbeiter zu investieren, zahlt sich für jedes Unternehmen aus“.

In einer abschließenden Podiumsdiskussion konnten Interessierte Fragen und Anregungen an die Experten und Professoren weitergeben. In den Pausen standen die Netzwerkpartner auf dem „Markt der Möglichkeiten“ für Besucher als Ansprechpartner zur Verfügung. Zu den Netzwerkpartnern zählten der Berufsverband Integrative Gesundheitsförderung e.V., die Compass Group Deutschland GmbH, da:nova GmbH, die Gesunde Hochschule und Medical Valley EMN e.V..