Gesundheitsmanagement bei der Polizei

Freitag. 24. Juli 2020 (Natalie Schalk)
Der Alltag der Polizistinnen und Polizisten besteht aus vielen unterschiedlichen Herausforderungen. Das Polizeipräsidium Oberfranken beschäftigt sich mit Gesundheitsmanagement. Foto © Bayerische Polizei
Prof. Dr. Niko Kohls (vorne links) und Prof. Dr. Eberhard Nöfer (vorne rechts) haben Vertreter der oberfränkischen Polizei auf Kloster Banz über den neuesten Forschungsstand des Gesundheitsmanagements informiert.

Polizei und Kriminalpolizei in Oberfranken und Hochschule Coburg beschäftigen sich gemeinsam mit der Frage, wie das Gesundheitsmanagement in den Dienststellen verbessert werden kann.

Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten, verletzte Beamte und demolierte Einsatzfahrzeuge: Die Ausschreitungen in Stuttgart und Frankfurt sind Extrembeispiele für die Herausforderungen bei der Polizei. „Die reale Situation der Menschen, die dort arbeiten, ist oft nicht schön“, sagt Prof. Dr. Eberhard Nöfer. „Wie in vielen Bereichen sind auch bei der Polizei die Belastungen und Anforderungen in den letzten Jahren gestiegen“, ergänzt Prof. Dr. Niko Kohls. Die beiden Professoren forschen und lehren in den Studiengängen zur Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg; gerade haben sie die oberfränkische Polizei über den neuesten Stand der Möglichkeiten und Chancen des behördlichen Gesundheitsmanagements informiert.

Das Gesundheitsmanagement ist voller Mythen

Die Veranstaltung fand unter Einhaltung der Hygieneregeln auf Kloster Banz statt. Oberfrankens Polizeipräsident Alfons Schieder, Polizeivizepräsident Udo Skrzypczak, Rainer Schmeußer, Leiter der Kriminalpolizei Coburg und Beauftragter für das behördliche Gesundheitsmanagement, sowie etwa 50 Dienststellenleiter und Dienststellenleiterinnen hörten interessiert zu, was die Wissenschaftler berichteten. „Gesundheitsmanagement muss bedarfsorientiert sein“, erklärt Nöfer. Er ist in den vergangenen Jahren bei Praxisprojekten in vielen Unternehmen auf den gleichen Irrtum gestoßen: „Ein verbreiteter Mythos ist, dass man ohnehin weiß, welchen Bedarf die Mitarbeitenden haben.“ Rückenschule oder gesundes Essen in der Kantine sind beliebte Maßnahmen der Gesundheitsförderung. Bringt nur nichts bei komplexeren Problemlagen. „Deshalb gilt: Frage den Bedarf ab, bevor du Maßnahmen ergreifst!“ Genau das hat das Polizeipräsidium Oberfranken in einer Mitarbeiterbefragung dieses Jahr getan.

„Bei den Ergebnissen gibt es natürlich eine gewisse Streuung zwischen den einzelnen Dienststellen“, sagt Nöfer. „Das ist bei solchen Befragungen normal. Die Frage ist: Welche Konsequenzen werden aus den Ergebnissen gezogen?“ Um das zu erarbeiten, wollen Polizei und Hochschule ihre Zusammenarbeit künftig vertiefen. Denkbar sind vor allem Semesterprojekte im Bachelor-Studiengang Integrative Gesundheitsförderung sowie im Master Gesundheitsförderung. „Wir können beispielsweise gezielt qualitative Befragungen für einzelne Polizeiinspektionen machen. Es geht darum, was ich als Arbeitgeber tun kann, um die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit meiner Mitarbeitenden zu fördern.“

Verhaltensprävention und Verhältnisprävention

Ziel ist, starke Belastungen für die Polizistinnen und Polizisten zu senken oder - wo das nicht möglich ist - ihre Widerstandskraft zu stärken. Auf individueller Ebene können als Maßnahme der „Verhaltensprävention“ beispielsweise Meditationskurse oder Übungen zur Stärkung der Selbstwahrnehmung helfen. Aber Belastungen können auch auf institutioneller Ebene als „Verhältnisprävention“ angegangen werden, beispielsweise indem sie bei der Schichtplanung berücksichtigt werden: „Wenn ich eine Kollegin der Bereitschaftspolizei bei einer Demonstration in den Kessel schicke, kann ich das so organisieren, dass sie im nächsten Vierteljahr bei so etwas außen vor ist“, sagt Nöfer mit Blick auf die aktuelle Stimmung. Eine bestenfalls ambivalente Grundhaltung von Bürgern und Medien der Polizei gegenüber macht es den Beamtinnen und Beamten oft schwer. „Es braucht einen reflektierten Umgang mit den Belastungen und Anforderungen“, sagt Kohls. Für die Studierenden im Fachbereich Gesundheitsförderung bietet das Thema ein interessantes praktisches Studienfeld. Und für die Polizei ist es ein Schritt, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu erhalten – auch unter widrigen Umständen.