"Im Prinzip simulieren wir ein kleines Unternehmen"

Freitag. 30. März 2018 (Anke Hempfling)
Svenja Maier und Dominik Kümpflein haben Benzin im Blut.

Svenja Maier und Dominik Kümpflein sind beide erst Anfang 20. Dennoch tragen sie bereits die Verantwortung für ein 50-köpfiges Team und tauschen regelmäßig den Hörsaal gegen die Rennstrecke. Die Vereinbarkeit von Studium und Praxis stellt beide vor Herausforderungen, öffnet gleichzeitig aber auch viele Türen.  

Svenja, Du bist Chief Executive Officer von CAT-Racing, Dominik ist Chief Technical Officer. Ihr leitet also das Team. Worin unterscheiden sich Eure Aufgaben?

Svenja Maier: Die sind ähnlicher als man denkt! Im Prinzip simulieren wir ein kleines Unternehmen.

Dominik Kümpflein: Wir haben beide hauptsächlich organisatorische Aufgaben. Svenja kümmert sich um die Verwaltung, ich beschäftige mich mit der Planung und Fertigung des Fahrzeugs.

Ihr studiert beide Wirtschaftsingenieurwesen Automobil im Studiengang Automobiltechnologie. Welche Studieninhalte könnt Ihr bei CAT-Racing besonders gut in der Praxis anwenden?

Svenja Maier: Hauptsächlich ist es das Grundlagenwissen, was uns beim Fahrzeugbau weiterhilft. Dazu zählen Studieninhalte wie Werkstofftechnik, Dynamik, Festigkeitslehre oder Kfz-Technik. In den höheren Semestern kann man außerdem Wahlfächer belegen, die in Programmiersoftware schulen.

Ein Vollzeitstudium und nebenher einen Posten mit hoher Verantwortung. Wie vereinbart Ihr das miteinander?

Dominik Kümpflein: Eigentlich verbringen wir unsere gesamte Freizeit bei CAT, egal ob Wochenende oder Feiertag und unabhängig von der Wetterlage. Die Mitglieder des Kernteams, uns mitgezählt sind das momentan zehn Leute, arbeiten im Schnitt sechs Stunden pro Tag.
Svenja Maier: Eine Balance zwischen den Aufgaben bei CAT, dem Studium und anderen Freizeitaktivitäten zu finden, ist manchmal sehr schwer. Man muss sich gut organisieren können. In der Prüfungsphase ist das am schwierigsten. Da muss man sich selbst beherrschen und Grenzen setzen und sagen: „Ich muss jetzt lernen“.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Euch aus?

Dominik Kümpflein: Im Moment befinden wir uns in der Phase zwischen Entwicklung und Fertigung des neuen Fahrzeugs. Ich sorge dafür, dass frühzeitig alles an Material, Werkzeugen und Ausrüstung vorhanden ist und wir unsere Termine und Ziele einhalten. Ich betreue auch die Technikersitzungen. Die Kommunikation im Team zu lenken, gehört auch zu meinen Aufgaben. Wenn es zum Beispiel Uneinigkeit gibt, welches Bauteil verwendet werden soll, bin ich schlussendlich derjenige, der entscheidet.

Svenja Maier: Ich telefoniere oft mit Sponsoren, kläre zum Beispiel die Details für einen neuen Sponsorenvertrag. Dann bin ich viel mit der Haushaltsstelle der Hochschule in Kontakt. Als Projekt der Hochschule Coburg werden wir auch von ihr verwaltet. Ich bin da die größte Schnittstelle zwischen Hochschule und CAT.

Wie unterstützt Euch die Hochschule Coburg?

Svenja Maier: Die Hochschule stellt uns Räumlichkeiten zur Verfügung und Prof. Dr. Stefan Gast unterstützt uns in vielen Dingen. Er setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass das Projekt im Studium stärker angerechnet werden kann. Die Planung und die Organisation rund um unser Fahrzeug machen wir aber komplett selbst.

Dominik Kümpflein: Wir haben in unserer Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik die Möglichkeit, eine Projektarbeit oder auch unsere Abschlussarbeit bei CAT-Racing zu schreiben. Das heißt, man kann sowohl sein Studium als auch das Team damit voranbringen. Die Professoren erkennen das an und machen gerne mit. So bringt es beiden Seiten etwas.

Muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um bei Euch mitzumachen?

Svenja Maier: Bei uns kann generell jeder jederzeit mitmachen, ungeachtet von Studiengang, Semester oder Vorkenntnissen. Engagement reicht vollkommen aus, um wirklich etwas zu bewegen.

Dominik Kümpflein: Wir bekommen leider sehr wenig Zulauf aus den Fakultäten Wirtschaftswissenschaften oder Design. Weit über 90 Prozent unseres Teams studieren Maschinenbau oder Automobiltechnik. Wir würden uns freuen, wenn Leute aus anderen Studiengängen dazukommen würden und einen frischen Wind ins Team bringen. Wir haben für jeden etwas zu tun!

Wie seid Ihr zu CAT-Racing gekommen?

Svenja Maier: Zum 200. Jubiläum der Hochschule Coburg im Jahr 2014 kam ich das erste Mal mit Leuten von CAT-Racing ins Gespräch. Sie haben mich ermuntert, einmal bei Ihnen vorbeizuschauen. Ich hatte damals gerade angefangen, Soziale Arbeit zu studieren und dachte mir nur: „Was soll ich da?“ Sie sagten mir, ich könne mich dort trotzdem gut einbringen. Ich habe mich dann tatsächlich beim Team eingeschrieben. Zuerst war ich im Marketing tätig und habe viel bei der Fertigung zugeschaut. Dann habe ich sogar den Studiengang gewechselt.

Dominik Kümpflein: Ich wollte gerne neben dem Studium noch etwas machen. Dass es dann CAT-Racing wurde, war einem Freund geschuldet, der dort bereits Mitglied war. Er hat mich mitgenommen und mir die Autos gezeigt. Als ich gesehen habe, was das Team da eigentlich macht, wollte ich unbedingt ein Teil davon sein.

Ihr baut das Auto selbst und nehmt damit an Rennen teil. Wie läuft bei Euch eine Saison ab?

Dominik Kümpflein: Anfang Oktober geht es an die Konzeptfindung für das neue Fahrzeug. Da stellt sich das Team zusammen und die Ziele für die neue Saison werden gesetzt. Die erste Phase ist die Designphase. Sie endet mit dem Designfreeze am 31. Dezember. Da soll die Fahrzeugentwicklung komplett abgeschlossen sein. Dann folgt die Fertigungsphase. Die geht bis zum Roll-Out, hier präsentieren wir das neue Fahrzeug zum ersten Mal. Das ist meist im Mai oder Juni. Danach beginnt die Testphase, in der die Fahrer fit für die Rennen gemacht werden. Mit dem ersten Rennen im Juli startet die Rennphase. Die Saison geht Ende August immer mit dem letzten Rennevent zu Ende.

Wer sitzt eigentlich im Auto während der Rennen? Holt Ihr Euch externe Fahrer, also Profis?

Dominik Kümpflein: Es fahren immer Leute aus unserem Team. Es ist eine Art Privileg, so ein Auto zu fahren. Man muss sich vor Augen halten, wie viele Stunden Entwicklung und Arbeit darin stecken. Es gibt da ganz unterschiedliche Philosophien innerhalb der Teams. Manche holen sich externe Fahrer. Die müssen einfach nur schnell sein.

Svenja Maier: Die Fahrerauswahl ist immer ein sehr schwieriger Spagat. Man möchte natürlich, dass der Schnellste im Auto sitzt, weil das am meisten Punkte bringt. Aber man will auch, dass jemand im Auto sitzt, der weiß, was das bedeutet. Als Fahrer hat man eine große Verantwortung.

Euer Auto aus der letzten Saison trug den Namen Pink Panther. Wie kommt das Fahrzeug eigentlich zu seinem Namen?

Svenja Maier: Der Name des neuen Autos wird einige Wochen vor der Präsentation gewählt. Da kommt das gesamte Team zusammen und jeder darf Vorschläge einbringen. Das wird immer demokratisch bestimmt.

Dominik Kümpflein: Mit dem C-17 Pink Panther feierten wir ein Jubiläum: Er war unser 10. selbstgebautes Fahrzeug. Deshalb wollten wir damit auch unseren allerersten Wagen, den C 08 Panther, noch einmal würdigen.

Was nehmt Ihr persönlich aus Euren Erfahrungen bei CAT-Racing mit?

Svenja Maier: Wie wichtig Teamarbeit ist. Man sitzt das ganze Jahr mit den gleichen Leuten zusammen und arbeitet gemeinsam an einem großen Projekt. CAT ist eine Familie. Wir wissen, dass wir alle füreinander da sind und es funktioniert einfach. Selbständigkeit ist ein weiterer, wichtiger Punkt. Auch die Kontakte in die Firmenwelt sind ein großer Vorteil. Nicht nur in Bezug auf Berufsperspektiven nach dem Studium, sondern weil man sich schon an die Arbeit mit Unternehmen und verschiedenen Abteilungen gewöhnt. Es kommt öfters vor, dass wir mit Mitarbeitern von Sponsoren im Besprechungszimmer sitzen und vor ihnen Präsentationen halten.

Dominik Kümpflein: Ich glaube, bei CAT tut man ganz viel für die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Man lernt einfach fürs Leben und zwar in allen Bereichen. Man wächst in seine Rolle und in die damit verbundene Verantwortung hinein. Die Verantwortung ist es auch, die mich motiviert, unsere Ziele als Team zu erreichen.

Wie geht es nach dem Studium weiter? Seht Ihr im Motorsport Eure berufliche Zukunft?

Dominik Kümpflein: Motorsport ist ein heißes Pflaster. Ich vermute, finanziell lohnt es sich im Vergleich zu einem normalen Industriejob nicht. Ich denke auch, dass es viel stressiger ist. Dennoch hat es seinen Reiz. Ich werde aber eher nicht in den Motorsport gehen.

Svenja Maier: Ich glaube, die wenigsten von uns wollen unbedingt in den Motorsport. Es gibt sogar Leute, die nicht einmal zwingend in die Automobilbranche wollen. Diese Erfahrung, die wir durch dieses Projekt machen, hat einfach etwas. Aber danach stehen ziemlich viele Türen offen. Ich habe noch keine Ahnung was ich später mache!

Was habt Ihr Euch für die neue Saison 2018 vorgenommen?

Svenja Maier: Wir haben vor, an den Rennen in Ungarn, Österreich, Deutschland und Spanien teilzunehmen. Wir möchten bei jedem Rennen ins Ziel kommen. 2016 standen wir auf dem dritten Platz in der Weltrangliste. Letztes Jahr sind wir leider in Hockenheim im Hauptrennen ausgefallen und liegen deshalb momentan auf dem 20. Weltranglistenplatz von insgesamt 550 Teams.

Dominik Kümpflein: Wenn man in einem Hauptrennen ausfällt, fehlen sofort 350 Punkte von insgesamt 1000. Das heißt, man stürzt ziemlich tief in der Rangliste. Wir wollen uns darauf fokussieren, ein zuverlässiges Auto zu bauen, das immer 100 Prozent geben kann. Dann können wir auch wieder ein paar Plätze gutmachen.

 

Wir wünschen viel Erfolg!

Das Interview führte Anke Hempfling.

 

CAT-Racing

Das Projekt CAT-Racing wurde im Jahr 2007 an der Hochschule Coburg gegründet. CAT steht für Coburger Automobil Team. Im Rahmen des internationalen Konstruktionswettbewerbs für Hochschulen und Universitäten, der Formula Student, bauen die Studierenden jedes Jahr einen neuen Rennwagen und nehmen damit an Wettbewerben auch im Ausland teil. Das Fahrzeug ist laut Regelwerk auf einen maximalen Hubraum von 710ccm und einem Lufteinlass im Durchmesser von 20mm beschränkt. Das Team setzt sich momentan aus circa 50 jungen Leuten aus verschiedenen Studienfachrichtungen zusammen. Die Hochschule Coburg unterstützt das Projekt und stellt Räumlichkeiten auf dem Campus Friedrich Streib zur Verfügung: Maschinenhallen, Schweißerei, KFZ-Labor mit darüber liegenden Büros und Strömungslabor.

 

Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 01/2018 des Hochschulmagazins mit dem Schwerpunktthema "Praxis im Studium". Die Onlineversion des Magazins gibt es hier.