Kongress für eine bessere Welt

Donnerstag. 02. Juni 2022 (Natalie Schalk)
Prof. Mario Tvrtkovic
Prof. Mario Tvrtkovic – Foto: Natalie Schalk / Hochschule Coburg

Der Coburger Architektur- und Stadtplanungs-Professor Mario Tvrtkovic beschäftigt sich damit, wie wir eine Welt schaffen, die weniger umweltschädlich ist, weniger Ungleichheiten und Nachteile mit sich bringt – eine bessere Welt für heute und morgen. Im Interview erklärt er, warum der Coburger Raum für den Hochschultag der Nationalen Stadtentwicklungspolitik eine Art Prototyp ist. Der diesjährige Kongress zum Thema „Transformative Kraft der Region“ findet an der Hochschule Coburg statt und ist am Dienstag, 14. Juni, dem Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis gewidmet. Am Mittwoch, 15. Juni, steht die Lehre im Fokus.

Der Hochschultag der Nationalen Stadtentwicklungspolitik findet 2022 in Coburg statt – wie kam es dazu?

Prof. Mario Tvrtkovic: In der Region gibt es viele kleine Städte, die durch wirtschaftliche aber auch durch familiäre Verflechtungen zusammenhängen – der Prototyp einer gereiften polyzentrischen Region. Sie befindet sich in ständigem Wandel, sie hat große transformative Kraft. Aus Sicht von Wissenschaft und Praxis ist besonders relevant, ob sich dieses Potenzial auch für den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit nutzen lässt. Deswegen wurden wir gebeten, den Kongress zum Thema „Transformative Kraft der Region“ auszurichten. Der Hochschultag ist Teil der Nationalen Stadtentwicklungspolitik der Bundesregierung und wird von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam getragen. Er fördert den Austausch zwischen Praxis, Wissenschaft und lokaler Politik über eine zukunftsfähige Regional- und Stadtentwicklung – alle zwei Jahre in Berlin, alle zwei Jahre mit einem Hochschultag vor Ort. Das Dialogformat entspricht genau unserer Strategie einer Hochschule in der Region, die Wissenschaft und Gesellschaft zusammenbringt.

Was versteht die Wissenschaft unter Transformation?

In den Transformationswissenschaften unterscheiden wir zwischen transformation by design und transformation by desaster: Auch Krisen und Katastrophen können einen Wandel auslösen. Bei der transformation by design geht es darum, die Transformationsprozesse aktiv zu gestalten. Das ist die Variante, die Schäden und Risiken für die Menschheit so gering wie möglich hält. Mitte Mai haben wir ein Wetter wie früher im August, in Paderborn gibt es Tornados. Das ist nicht irgendwie ein bisschen anders: Der menschengemachte Klimawandel und daraus resultierende Krisen haben erdgeschichtliche Ausmaße, unsere Lebensbedingungen ändern sich drastisch. Wir reden von einem ganz neuen Zustand unseres Klimas, und dazu tragen wir alle bei. Dem aktiv zu begegnen ist eine gemeinschaftliche Aufgabe. Wir zeigen Wege in Richtung nachhaltiger Entwicklung auf. Die Transformation zur Nachhaltigkeit als aktiv gestalteter Wandel dient dazu, für alle ein gutes Leben zu ermöglichen.

Beim Klimawandel sind fossile Brennstoffe das größte Problem – was haben Sie als Architekt und Stadtplaner damit zu tun?

Die Städte und Dörfer sind Betroffene und Auslöser zugleich. Wir müssen die Treibhausgas-Emissionen schnellstmöglich auf Null senken. Das erfordert die Abkehr von fossilen Brennstoffen und hierbei hängt alles zusammen: Wir betreiben Gebäude, wir heizen diese, wir bauen Verkehrsinfrastrukturen, wir versiegeln Flächen. Zufolge Studien wie dem Global Status Report for Buildings and Construction sind Gebäude die Ursache von fast 40 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit. Wir müssen rasch handeln und zwar in allen Sektoren und wir sind gut beraten, Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Lebensqualität zu verbessern, beispielsweise durch grün-blaue Infrastruktur in den Städten. Also mehr Schatten, mehr Grün, mehr Wasser. Gleichzeitig müssen wir die Themen auf dem Land angehen.

Was muss sich auf dem Land verändern?

Beispielsweise Moore renaturieren. Sie sind effektive CO2-Speicher. Und Windkraft, Bioenergie und Photovoltaik – die Energiewende – findet nicht in den Städten statt. Auch bei der Mobilität ist eine Frage, wie sinnvolle umwelt- und menschenfreundliche Strukturen in der Region aussehen. Es braucht die integrative Betrachtung von Stadt und Land. Die Auswirkungen sind in Städten und ländlichen Räumen zu finden – und die Lösungen auch. Wir können eine Welt schaffen, die weniger umweltschädlich ist, weniger Ungleichheiten und Nachteile mit sich bringt und dafür brauchen wir eigentlich nur etwas Mut. Wir sollten einen gesellschaftlichen Dialog für diese Entwicklungen öffnen. Dafür ist der Kongress eine ideale Plattform. Wir werden über unterschiedliche Themen diskutieren, und wir werden über transformative Lehrformate reden. Es geht nicht nur darum, Dinge zu benennen, sondern auch darum, wie wir das durch Lehre und Transfer in die Gesellschaft transportieren.