Mit „Elektromann“ fing es an

Montag. 30. März 2020 (Natalie Schalk)

Generationen von Ingenieurinnen und Ingenieuren haben bei ihm gelernt: Jetzt geht Elektrotechnik-Professor Dr. Jochen Jirmann in den Ruhestand.

Er muss so etwa acht Jahre alt gewesen sein, erinnert sich Professor Jirmann, als er den „Elektromann“ geschenkt bekam. Wicklungsdraht und Schalterfedern, Glühbirnen, Spulen, Magnete: Der Experimentierbaukasten enthielt alles, was nötig war, um den Grundschüler aus Redwitz für Technik zu begeistern. Daraus entwickelte sich eine Liebe zur Naturwissenschaft, die ein Leben lang hielt – und die er an Generationen angehender Ingenieurinnen und Ingenieure weitergab. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert als Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Coburg ist Jirmann jetzt in den Ruhestand gegangen.

Als er 1992 antrat, gab es noch keine Smartphones, Informatik war einfach Teil des Elektrotechnik-Studiums und das wurde mit einem Diplom und nicht mit Bachelor und Master abgeschlossen. Niemand sprach damals über „MINT“-Fächer. Seit einigen Jahren werden Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik als grundlegend für die Innovationskraft der Wirtschaft gesehen. Coburger Elektrotechnik-Ingenieure sind begehrte Fachkräfte. „Unsere Absolventen tauchen nie auf dem Arbeitsmarkt auf“, sagt Jirmann. Sie bekommen vorher Angebote.

Elektrotechnik beim Geheimdienst

Der emeritierte Elektrotechnik-Professor berichtet von externen Partnern und spannenden Firmenkontakten, die er den Studierenden vermitteln konnte: „Es gab welche, die ihr Praxissemester beim Senderbetrieb des Bayerischen Rundfunks absolvierten.“ Und sogar Praktikumsmöglichkeiten beim BND. Jirmanns erster Gedanke: „Trenchcoat und Schlapphut?“ Aber er habe dann gelernt, dass es beim Geheimdienst große technische Bereiche gebe, an denen gar nichts Geheimes sei. Er lacht leise. Grundsätzlich gehe es doch allen Arbeitgebern beim Praxissemester um das Gleiche: „Sie wollen gute Leute finden.“

Während der 28 Jahre als Professor veränderte sich die heutige Fakultät für Elektrotechnik und Informatik immer wieder. Seinem Schwerpunkt und Lieblingsthema blieb Jirmann aber immer treu: der Hochfrequenztechnik. Dabei geht es um elektromagnetische Wellen, mit denen viele Geräte in unserem Alltag arbeiten. Satellitennavigation zum Beispiel. In seiner Abschiedsvorlesung sprach Jirmann darüber, „Wohin die Reise geht und wie wir den Weg dahin finden“. Diese „kurze Geschichte der Navigation“ verdeutlichte auch, wie wichtig Hochfrequenztechnik heute beispielsweise in der Flugzeugtechnik ist. „Es gibt ja Leute die meinen, wir könnten alles digital machen. Aber ohne Hochfrequenztechnik würde vieles nicht funktionieren. Und es gäbe auch kein Smartphone und kein DSL-Modem.“ Ohne Funkverbindung kann ein Smartphone keinen Datenstrom übertragen.

Schrottplatz statt Fußballplatz

Jirmann ist seit vielen Jahren leidenschaftlicher Funkamateur. Auch für dieses Thema begeisterte er sich bereits als Kind – er hatte nicht nur den „Elektromann“, sondern auch den „Radiomann“, den Experimentierkasten für Versuche der Funk- und Radiotechnik. Und wenn die anderen Jungs auf dem Fußballplatz herumtobten, war er mit seinen Freunden auf den Schrottplätzen rund um Redwitz unterwegs. „Wir haben geschaut, ob wir was Brauchbares für unsere Projekte finden.“ Solch jugendlichen Forscherdrang wünscht er sich auch für die Studierenden. „Ein Basisinteresse dafür, wie Dinge funktionieren, entsteht schon, wenn etwas Defektes wieder flott gemacht werden muss. Aber wenn heute Mountainbike oder der Fernseher kaputt sind, wird zu oft einfach was Neues gekauft“, sinniert der Professor.

Er sitzt in seinem Haus in Redwitz, zu seinen Füßen schläft Quirin, der acht Kilo schwere Norwegerkater. Katze Pilvi gesellt sich dazu. Später will Jochen Jirmann noch zu seiner Pferdedame „Shorty“, die er liebevoll „Riesenpferd“ nennt. Langeweile im Ruhestand fürchtet er nicht. Ein Fachverlag hat angefragt, ob er ein Buch zu einem Spezialgebiet der Hochfrequenztechnik schreibt. Außerdem wird er als Lehrbeauftragter an der Hochschule Coburg weiter Studierende unterrichten. Und er bleibt im Schülerforschungszentrum der Hochschule aktiv. Hier vermittelt er Experimentierfreude und Forscherdrang an die nächste Generation möglicher MINT-Akademiker.

Zur Person

Jochen Jirmann wurde 1954 in Redwitz geboren, studierte Elektrotechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, wo er 1987 über hochfrequenzangeregte Kohlendioxidlaser promovierte. Danach arbeitete er fünf Jahre lang bei der Firma Micro Systems Engineering in Berg bei Hof, die sich unter anderem spezialisiert hat auf elektronische Bauteile der Medizintechnik wie Herzschrittmacher und Diagnosegeräte. Dort baute er ein Elektroniklabor auf und hielt als Lehrbeauftragter Kontakt zur damaligen Fachhochschule Coburg. Auch damals war es schwierig, geeignete Ingenieure zu finden, die nicht in München, sondern im Frankenwald arbeiten wollen. 1992 wurde er an den Lehrstuhl für Elektrotechnik berufen. Im Ruhestand unterrichtet er jetzt stundenweise als Lehrbeauftragter die angehenden Elektrotechnik-Ingenieur*Innen der Hochschule Coburg.