Neue Studie zu Migräne bei Kindern: Gesundheitsförderung wirksamer als Medikamente

Mittwoch. 19. Februar 2020 (Pia Dahlem)
Kind mit Migräne
Migräne bei Kindern schränkt die Lebensqualität ein.

Medikamente zur Vorbeugung von Migräne bei Kindern wirken unzureichend. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, an der Prof. Dr. Karin Meißner von der Hochschule Coburg beteiligt war. Gesundheitsfördernde Maßnahmen sind demnach besser geeignet, mit Migräne umzugehen. Diese Erkenntnisse sind für Kinderärzte, Schmerztherapeuten und natürlich betroffene Kinder und deren Familien von großer Bedeutung.

Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen. Und: Migräneattacken sind nicht einfach nur Kopfschmerzen. Kinder und Jugendliche mit Migräne haben verschiedene Symptome (Sehstörungen, Taubheitsgefühl, Müdigkeit, vegetative Beschwerden etc.), die, neben häufigen Fehltagen in der Schule, die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Da Migräne bei Kindern anders verläuft als bei Erwachsenen, ist es nötig, Kinder und Jugendliche auch anders zu therapieren. Bei einem akuten Migräneanfall werden Medikamente zur Schmerzlinderung verabreicht. Medikamente zur Vorbeugung, also um die Anzahl der Attacken zu reduzieren, sogenannte Migräneprophylaxe, werden auch bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft verabreicht.

Die Forscher*innen untersuchten, ob Medikamente zur Migränevorbeugung wirksamer sind als Scheinmedikamente, sogenannte Placebos und welche der Medikamente am besten wirken. Dazu wurden alle bestehenden Studien zu diesem Thema analysiert und miteinander verglichen. Diese Analyse brachte wegweisende Ergebnisse:

Professorin Meißner fasst die wichtigsten Fakten so zusammen: „Insgesamt ist bisher kein Medikament überzeugend wirksam, das bei der Migräneprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt wird. Lediglich zwei Präparate waren während der ersten vier Monate der Behandlung statistisch wirksamer als Placebo, nach fünf Monaten war auch diese Überlegenheit nicht mehr nachweisbar.“ Das könnte bedeuten, dass diese Medikamente gar nicht spezifisch wirken, oder nur bei einem Teil der Kinder anschlagen. Meißner betont: „Es besteht derzeit nur ein schwacher wissenschaftlicher Nachweis, dass man solche Medikamente bei Kindern einsetzen sollte.“ Das bedeutet, dass auch diese beiden Medikamente keinen sicheren Beweis gebracht haben, dass sie überhaupt wirken. Gerade, wenn es um Kinder geht, müssen Forscher und Ärzte hier strenge Kriterien anlegen.

Was bedeutet das für die Betroffenen?

Um Migräneanfällen vorzubeugen, sind gesundheitsfördernde Maßnahmen am besten geeignet. Dazu gehören Ernährung, Bewegung und Entspannung. Das führt Prof. Dr. Boris Zernikow von der Universität Witten/Herdicke in einem begleitenden Artikel zu dem Thema aus. Außerdem lindern ausreichend Schlaf und ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper die Beschwerden. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Kinder lernen, die Migräneschübe früh zu erkennen und dann rechtzeitig die akuten Schmerzmittel einnehmen.

Fazit: Eine Änderung des Lebensstils mit einem verhaltenstherapeutischen und psychologischen Ansatz ergänzt durch Entspannungstechniken sind einer Dauermedikation vorzuziehen. „Dazu wollen wir eine klinische Studie durchführen, am liebsten mit regionalen Partnern, wie dem Klinikum Coburg. Dann kann man sehen, wie die Kinder mit Migräne von einem gesunden Lebensstil profitieren“, erklärt Professorin Meißner.

Prof. Dr. Karin Meißner ist Leiterin des Masterstudiengangs Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg. Außerdem leitet sie die Arbeitsgruppe „Placebo Research“ am Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist weltweit führend auf dem Gebiet der Placebo Forschung.