Online gibt's keine Kaffepausen-Ideen

Dienstag. 14. Juli 2020 (Natalie Schalk)
Die rasche Digitalisierung hat viele Vorteile gebracht - trotzdem vermissen Forscher den persönlichen Austausch bei Konferenzen wie hier in Brüssel, wo Prof. Dr. Julia Prieß-Buchheit 2019 über "Path2Integrity" sprach.

In einer virtuellen Podiumsdiskussion des Bayerischen Wissenschaftsforums setzten sich Forscherinnen und Forscher damit auseinander, wie die Corona-Pandemie ihre Arbeit verändert. Unter den Expertinnen und Experten war auch Didaktik-Professorin Prof. Dr. Julia Prieß-Buchheit von der Hochschule Coburg.

Bei Forschung, Wissenschaft und Lehre hat sich seit März vieles verändert. Covid-19 beschleunigte erst in der Medizin, dann ganz allgemein die Entwicklung von "Open Science", von offener Wissenschaft mit frei zugänglichen Forschungsdaten, die von anderen genutzt und weiterbearbeitet werden können. Das war eines der Themen, über die in der virtuellen Podiumsdiskussion des Bayerischen Wissenschaftsforums #BayWISS diskutiert wurde. Prof. Dr. Julia Prieß-Buchheit von der Hochschule Coburg, Prof. Dr. Ralf Ludwig von der Ludwig-Maximilians-Universität München und Jesús Salcedo Villanueva vom UN-Habitat aus Nairobi/Kenia sprachen über "International Research Collaboration in Times of Crises" (Internationale Forschungskooperationen in Krisenzeiten). Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Thomas Ammerl von der Bayerischen Forschungsallianz BayFor. Die digitale Veranstaltungsreihe „Resilienz und Verantwortung in Krisenzeiten – die Verantwortung der bayerischen Hochschulen“ befasst sich bis Ende September unter verschiedenen Schwerpunkten mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Vor vier Monaten wäre die Veranstaltung an sich noch sehr ungewöhnlich gewesen: Podium samt Publikum war ein reiner Video-Stream - inzwischen ist so etwas fast selbstverständlich. Konferenzen, Lehre, Forschungs-Zusammenarbeit: Die Online-Welt hakelt an manchen Stellen, funktioniert aber auch in vielen Bereichen überraschend gut. Prof. Dr. Julia Prieß-Buchheit erinnert sich genau, was der Lockdown ab Montag, 23. März, für die Hochschule Coburg bedeutete: "Die große Frage war: Wie sollen wir lehren, wenn alle daheim sind?" Sehr schnell wurde sehr viel über die Möglichkeiten der Digitalisierung gelernt. "Aber wir müssen noch sehr viel mehr lernen."

Prof. Dr. Ralf Ludwig von der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärte, er habe das Gefühl, dass Video-Meetings eigentlich vom ersten Tag des Lockdowns an funktioniert haben und dass die Produktivität sogar zunahm. Aber das ist eben nur eine Seite: "Trotzdem leidet die Wissenschaft." Die soziale Komponente funktioniert online nicht so gut. "Nur selten bleibt man am Ende einer Videokonferenz noch einen Moment und spricht übers Privatleben", sagte Prof. Dr. Julia Prieß-Buchheit. "All diese Dinge, die wir tun, wenn wir uns näher kennen. Oder wenn wir uns kennen lernen."

Die Schattenseiten der Effizienz

Eine Videokonferenz nach der anderen, dazwischen gefühlt 1.000 Mails abarbeiten: Die Online-Welt ist effizient. Aber Forschung braucht auch Freiraum für Kreativität und persönliche Kontakte. In den Kaffeepausen oder beim Essen nach einer Konferenz entstehen manchmal die besten Ideen und werden gemeinsam weiterentwickelt. Das passiert spontan. Nicht auf Knopfdruck, wenn das nächste Videomeeting anberaumt ist. "Wir brauchen eine Balance zwischen dem realen Leben und der Online-Welt", sagte Prieß-Buchheit. "Und wir brauchen Zeit zum Denken. Wo ist die Zeit zum Nachdenken?"

Die Coburger Didaktik-Professorin berichtete auch von ihrem EU-Forschungsprojekt „Path2Integrity“. Sie koordiniert dieses Projekt für Trainings in 15 europäischen Ländern, in Kanada, Mexico, Zambia und Taiwan. "Und plötzlich konnten wir nicht mehr reisen. In Einverständnis mit den Partnern und der Europäischen Kommission sind wir online gegangen." An der Hochschule Coburg und innerhalb Deutschlands sei es gut gelaufen. Bei der internationalen Zusammenarbeit habe sie aber zwei Partner verloren, weil es ihnen nicht möglich war, im Homeoffice zu arbeiten. Jesús Salcedo Villanueva vom UN-Habitat aus dem kenianischen Nairobi nickte hier zustimmend. Er betonte, wie wichtig es ist, dass auch in Ländern wie Kenia jeder einen Internetzugang hat. "Wenn nur einer im Team keine Möglichkeit hat, gerät ein Projekt schnell in Verzug." Er bewertete positiv, dass jetzt weniger Zeit für Reisen benötigt wird. Auch viele organisatorische Dinge gingen schneller. Und die sozialen Kontakte? "Wir Kollegen machen immer noch unsere Kaffeepause zusammen. Wir treffen uns so wie wir es früher gemacht haben, nur eben online."