Recht des autonomen Fahrens beim 1. Coburger Mobilitätskongress

Freitag. 27. September 2019 (Dr. Margareta Bögelein)
Nächtliche Lichtspuren auf der Autobahn
Stammen die Lichtstreifen auf der Autobahn in Zukunft von Autos ohne Fahrer? Symbolbild: Pixabay/Pexels

Unzählige Ingenieure arbeiten weltweit daran, dass die Autos in der Zukunft autonom fahren. Es gibt aber nur wenige Juristen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Der Hochschule Coburg ist es gelungen, zum 1. Coburger Mobilitätskongress am 10. Oktober als Referenten Dr. Jochen Feldle zu gewinnen. Der Jurist ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Robotrecht der Universität Würzburg.

Wenn es um rechtliche Themen des autonomen Fahrens geht, sind viele Ingenieure in Deutschland verunsichert, das beobachtet Dr. Jochen Feldle. Sie fragen ihn häufig: „Stehe ich praktisch schon mit einem Fuß im Gefängnis?“ Außerdem wirft das Thema eine Reihe ethischer Fragen auf. Bereits 2016 befasste sich eine Ethikkommission im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums mit den grundlegenden Leitlinien. In ihrem 2017 vorgelegten Abschlussbericht formulierten sie 20 Thesen, wie automatisiertes Fahren mit den ethischen Normen in unserer Gesellschaft vereinbar ist. Dabei stellten sie fest, dass automatisierte Fahrsysteme nur dann vertretbar sind, wenn sie im Vergleich zu menschlichen Fahrleistungen zumindest eine Verminderung von Schäden versprechen.

„Betrachtet man die Statistik des Bundesamtes für Verkehr, sieht man, dass 90 Prozent der Unfälle durch menschliches Versagen verursacht sind“, erklärt Jochen Feldle. Dennoch bestünde häufig eine irrationale Angst, beim automatisierten Fahren die Technik nicht mehr im Griff zu haben. „Hier überschätzen sich die Menschen häufig selbst“, bemerkt er.

Ein weiteres Dilemma betrifft die Frage, ob bei einer unausweichlichen Unfallsituation ein Leben gegen andere Leben abgewogen werden darf. Jochen Feldle erklärt: „Anders als in den USA ist bei uns nicht gerechtfertigt, wenn man bewusst ein Leben nimmt, um beispielsweise fünf zu retten.“ In der Praxis sind solche Fälle zwar verschwindend gering. Dennoch gibt es vielfältige ethische Konfliktsituationen wie beispielsweise: Brechen wir eine Verkehrsregel, um eventuell einen Sachschaden zu vermeiden?

Algorithmen und das Recht

Da automatisiertes Fahren auf Algorithmen beruht, ist die technische Entwicklung stark mit der rechtlichen verzahnt. Der Jurist Feldle bemerkt: „Der Ingenieur muss sich fragen: Wie funktioniert mein System? Welche Entscheidungen treffen meine Algorithmen und sind sie im Einklang mit den rechtlichen Normen?“ Hier müssen künftig die Juristen und die Ingenieure intensiv miteinander reden. „Wir haben es mit einem Zukunftsthema zu tun, von dem auch unsere internationale Position in der Automobilindustrie abhängt“, ergänzt Jochen Feldle.

Der deutsche Gesetzgeber hat sich mittlerweile umfassend mit dem automatisierten Fahren befasst und 2017 das Straßenverkehrsgesetz geändert. Dort ist jetzt geregelt, dass zwar das vollständig autonome Fahren eines Fahrzeugs, in dem es keinen Fahrer, sondern nur noch Passagiere gibt, rechtlich nicht zulässig ist. Allerdings sind hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen zulässig, wenn sie bestimmungsgemäß verwendet werden. Bei diesen Stufen des automatisierten Fahrens darf sich der Fahrer vom Verkehrsgeschehen abwenden. Er muss aber wahrnehmungsbereit sein, damit er die Fahrzeugsteuerung übernehmen kann, wenn das System ihn dazu auffordert.

Für die Ingenieure ist der rechtliche Begriff des „bestimmungsgemäßen Gebrauchs“ besonders relevant. Jochen Feldle erklärt ihn an folgendem Beispiel: „Wenn der Hersteller ein Assistenzsystem für die Autobahnfahrt freigegeben hat, darf es auch nur dort genutzt werden. Meint der Fahrer, es könnte auch im Stadtverkehr funktionieren und nutzt es dort, handelt er gesetzlich unzulässig. Und der Hersteller ist in der Pflicht, dies dem Nutzer klar und eindeutig zu vermitteln.“

Die deutschen Gerichte mussten sich erst mit einigen wenigen Fällen auseinandersetzen, bei denen automatisierte Fahrfunktionen eine Rolle spielten. Beim 1. Coburger Mobilitätskongress der Hochschule Coburg am 10. Oktober wird Jochen Feldle davon berichten. Weitere Infos zum Kongress gibt es hier