Sein letztes Semester

Freitag. 17. März 2017 (Madelaine Ruska)

Patente will er noch beantragen, Publikationen vollenden und zwei Promotionen wird er weiterhin betreuen. Offiziell ist der ehemalige Präsident der Hochschule Coburg und langjährige Leiter des Instituts für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) Prof. Dr. Gerhard Lindner aber jetzt in den Ruhestand gegangen.

Gerne unterschreibt er nicht. Wolfram Haupt, Dekan der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften zögert, bevor er die Unterschrift auf den Entlassungszettel von Gerhard Lindner setzt. „Ich würde Sie gerne noch ein bisschen behalten“, sagt Haupt.

Seit 1994 ist Lindner an der Hochschule Coburg. Auf die Stelle als Präsident hatte er sich damals beworben, war neun Jahre im Amt und entschied danach weiterhin in Coburg zu bleiben. Lindner baute das Institut für Sensor- und Aktortechnik auf, brachte den internationalen Masterstudiengang Analytical Measurements and Sensor Technology (AIMS) auf den Weg und trieb die Forschung an der Hochschule voran. Und jetzt soll also Schluss sein?

 „Ich habe in meinem Leben viele einschneidende Wechsel erlebt und habe mir eingebildet, ich hätte Erfahrung damit. Aber zum ersten Mal habe ich keine konkrete Vorstellung, was mich jetzt erwartet“, sagt Lindner. Eins weiß er aber sicher: Seine Reiselust wird sich erstmal in Grenzen halten. „Ich war beruflich so viel unterwegs. Da zieht es mich erstmal nicht in die Ferne.“

Die Jahre vor seinem Ruhestand hat Lindner genutzt, um die Nachhaltigkeit seiner Projekte sicherzustellen. „Vier neue Stellen sind dafür mittlerweile geschaffen worden“, erzählt der 65-Jährige. Im ISAT teilen sich Prof. Dr. Maria Kufner und Prof. Dr. Stefan Klaus Drese die Institutsleitung, Prof. Dr. Conrad Wolf ist für den Master-Studiengang Simulation und Test verantwortlich und Prof. Dr. Michael Wick leitet seit kurzem den Master-Studiengang AIMS und den Studienzweig Engineering Physics – beides internationale Programme mit überwiegend ausländischen Studierenden. Lindner hat vor allem für die Internationalisierung der Hochschule Coburg viel geleistet. Dafür bedankte sich auf Dieter Tuchbreiter, stellvertretender Leiter des Studienkollegs: „Ohne Sie hätten wir heute nicht diesen Platz an der Hochschule!“ Der Neubau für das Studienkolleg, das jedes Jahr rund 130 Studierende aus der ganzen Welt aufnimmt, geht auf Lindners Engagement während seiner Präsidentschaft zurück.

Ein besonders einschneidendes Erlebnis fand ebenfalls in dieser Zeit statt. 1999 – der Brand des Hofbräuhaus. „Ich war damals in Konstanz und habe erst am nächsten Morgen davon erfahren. Wir wussten erstmal nicht, wie es weiter gehen soll“, erinnert sich der ehemalige Präsident. Umso größer war die Freude als die ersten Studierenden das sanierte Gebäude noch im selben Jahr beziehen konnten.

Ein totales Abenteuer, sagt Lindner, sei die Einführung des internationalen Masterstudiengangs AIMS gewesen. Der Studiengang ist eine Kooperation mit der University of Shanghai for Science and Technology. Vergleichbares gab es vorher nicht an der Hochschule – also auch niemanden, den man hätte fragen können. „Als der erste Jahrgang seine Absolventenfeier bei Brose veranstaltete - das werde ich wohl nie vergessen.“ Heute hat der AIMS-Master mit dem Bachelor-Studienzweig Engineering Physics sogar einen kleinen Bruder bekommen. Auch hier findet ein Teil des Studiums in China und sogar in anderen Ländern wie Kanada oder den Niederlanden statt.

Beim Dies Academicus, der Jahrfeier der Hochschule im vergangenen November, hat Lindner bereits einen kleinen Abschied gefeiert. Unter dem Titel „Mein letztes Semester“ blickte er zurück auf Erfolge und Misserfolge seiner Karriere. Zum Beispiel während seiner Präsidentschaft: „Ich habe das Parkplatzproblem nicht gelöst, wir mussten die Abteilung Münchberg an Hof abgeben und waren auf dem Minimum der Studierendenzahlen. Das war nicht gerade eine tolle Bilanz“, schmunzelt Lindner.

Am Ende seines Vortrags angekommen, wagt er dann noch einen Ausblick für die eigene Zukunft. Da steht – frei nach Loriot: „Ein Leben ohne die Hochschule Coburg ist möglich…“

Zur Person:

Gerhard Lindner ist in Coburg aufgewachsen. Er hat an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Konstanz Mathematik und Physik studiert und promovierte an der Universität Konstanz auf dem Gebiet der nuklearen Festkörperphysik. Anschließend arbeitete er an der Universität Konstanz und am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. 1989 wurde Gerhard Lindner als Professor an die Fachhochschule Ravensburg-Weingarten berufen und habilitierte 1990 für das Fach Experimentalphysik. Drei Jahre später bewarb er sich auf die vakante Präsidentenstelle in Coburg.