Wie aktiv sind unsere Kinder?

Mittwoch. 17. Februar 2021 (Pia Dahlem)
Kind auf Schaukel
Bewegung zu fördern ist das Ziel von QueB. / Foto: Janko Ferlic auf unsplash
Christina Müller
Projektmitarbeiterin Christina Müller hat die Ergebnisse ausgewertet.
Prof. Dr. Holger Hassel leitet das Projekt QueB. / Fotos: Hochschule Coburg

Nachhaltig mehr Bewegung in den Kita-Alltag integrieren – das ist das Ziel von „Qualität entwickeln mit und durch Bewegung“ (QueB). Sieben Kitas in Oberfranken wurden in der zweiten Runde des Projekts vom Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften der Hochschule Coburg begleitet und als „Bewegte Kitas“ ausgezeichnet.

Draußen rennen, matschen, Fußball spielen, Natur entdecken, Bewegung erfahren, den eigenen Körper spüren. Mal richtig außer Puste kommen und dann wieder ruhen. So wachsen Kinder gesund auf. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt für Kinder 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung pro Tag. Dass dieser Richtwert oft weit unterschritten wird, ist problematisch. „Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass sich die Kinder immer weniger bewegen und in der Grob- und Feinmotorik Schwächen zeigen. Dem Trend wollten wir etwas entgegensetzen“, begründet Simone Schindhelm, Leiterin der Kindertagesstätte St. Marien in Rödental, die Teilnahme an dem Projekt QueB. Und: es hat sich schon etwas verändert: „Es ist ein positiver Trend erkennbar“, fasst Christina Müller vom Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften (IaG) der Hochschule Coburg die Ergebnisse zusammen. Schon in der ersten Förderphase (2015-2018) erforschte das IaG unter der Leitung von Prof. Dr. Holger Hassel, wie Kitas in Bewegung gebracht werden können. „In der zweiten Förderphase konzentrieren wir uns darauf, die erfolgreiche Intervention der ersten Phase zu verbreiten“, beschreibt Projektmitarbeiterin Christina Müller das Ziel.

Schritt für Schritt zu mehr Bewegung

Der Moment der Wahrheit kam mit der jährlichen Aktivitätsmessung: „Wir haben etwa 130 Kinder und 30 Erzieherinnen mit kleinen tragbaren Aktivitätsmessern, sogenannten Akzelerometern, ausgestattet. Diese haben über eine Woche alle Bewegungsaktivitäten aufgezeichnet“, erklärt Müller. Dabei wurden auch die unterschiedlichen Intensitäten gemessen: Bewegen sich die Kinder nur leicht, moderat, oder so, dass sie ins Schwitzen kommen und der Puls steigt. „Nach der ersten Messung im Jahr 2018 lag die moderate und intensive Aktivität der Kinder bei rund 41 Minuten.“

Nun waren alle Beteiligten, Erzieherinnen, Eltern wie Kinder gefordert, mehr Bewegungsangebote zu kreieren. In St. Marien gibt es eigens zwei Bewegungsbeauftragte, die sich um dieses Thema kümmern. „Wir haben die Kinder erst genau beobachtet, um festzustellen, wann sie Aktivität und wann sie Ruhephasen brauchen“, berichtet Bewegungsbeauftragte Alexandra Spindler. Das Ergebnis waren viele zusätzliche Bewegungsanreize für alle Altersgruppen. Unter anderem wurden neue Spielgeräte und Fußballtore angeschafft. Außerdem haben die Erzieherinnen gemeinsam mit den Eltern einen Barfußpfad errichtet. Bewegungsbeauftragte Mandy Brown berichtet: „Der Aufenthalt im Freien hat bei uns schon immer eine große Rolle gespielt und wird täglich umgesetzt. Nun bieten wir, neben noch mehr freien, auch feste Bewegungszeiten im Tagesablauf der Kinder an“. So hat sich beispielsweise eine wöchentliche Yogastunde für die Kinder etabliert. Um dem Bedürfnis nach Ruhe gerecht zu werden, hat man in St. Marien neue Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder geschaffen.

Die Ergebnisse verbessern sich

Es ist erfreulich, dass all diese Bemühungen Früchte tragen. „Bei der zweiten Messung im Jahr 2019 lag die durchschnittliche moderate und intensive Aktivität der Kinder bei 48 Minuten und bei der letzten Messung, Ende 2020 bei zirka 57 Minuten“, fasst Christina Müller zusammen. Ein ähnlicher Trend ist übrigens bei den pädagogischen Fachkräften erkennbar. Müller ergänzt: „Es freut uns zu sehen, dass die erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie nicht zu einem Einbruch geführt haben und die Kitas weiter am Ball geblieben sind.“

Neben der Auszeichnung „Bewegte Kita“ für alle teilnehmenden Einrichtungen werden die beteiligten Kitas miteinander vernetzt. So können sich die pädagogischen Fachkräfte untereinander austauschen. Prof. Hassel ist wichtig, dass diese guten Entwicklungen noch weitergetragen werden: „In Kooperation mit Fachberatungen und Fachakademien für angehende Erzieherinnen und Erzieher aus dem Regierungsbezirk Oberfranken entwickeln wir eine Multiplikatoren-Strategie. Fachberaterinnen und Fachberater sollen dabei unterstützt werden, das Thema Bewegung aufzugreifen, Bedarfe zu ermitteln und passende Unterstützungsangebote zu vermitteln.“ Außerdem probieren derzeit Schülerinnen und Schüler aus drei Fachakademien in ihrem Praktikum eine Web-App zum Einstieg in das Thema Bewegung aus.

Das Projekt QueB

Das Projekt QueB ist ein Teilprojekt des Forschungsverbunds Capital4Health, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird. In der ersten Phase von 2015 bis 2018 ging es der Frage nach, wie es gelingt, in Kitas nachhaltig Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil zu schaffen. Gemeinsam mit 12 Kitas in der Region wurde ein prozessorientiertes Zertifizierungsverfahren für „Bewegte Kitas“ entwickelt und erprobt. Auf den Ergebnissen und Erfahrungen der ersten Phase baut QueB 2 auf. Im Zentrum steht die Frage, wie die Nachhaltigkeit von QueB gesichert werden kann. In der Modellregion Coburg liegt der Fokus darauf, die erfolgreichen Bestandteile des Zertifizierungsverfahrens mithilfe eines Multiplikatoren- und eines Peer-to-Peer-Ansatzes weiteren Kindertagesstätten zugänglich zu machen und dadurch die Qualität der Bewegungsförderung in Kindertagesstätten in der gesamten Region nachhaltig zu steigern.