„Wissenschaft darf nie Selbstzweck sein!“

Freitag. 24. Juni 2022 (Pressestelle)
Prof. Dr. Katrin Linthorst
Prof. Dr. Katrin Linthorst lehrt an der Fakultät Ganzheitliche Gesundheitswissenschaften. - Foto: Hochschule Coburg

Die Hochschule hat eine Reihe Fragen an neue Professorinnen und Professoren. Heute antwortet Prof. Dr. Katrin Linthorst.

Die Bereits im 19. Jahrhundert war es Mode in den Pariser Salons, interessanten Menschen mit einem Fragebogen ungewöhnliche Gedanken zu entlocken. Was beschäftigt sie, was denken sie? Das wollen wir auch von unseren neuen Professorinnen und Professoren wissen. Als Vorbild dient hierbei das „Questionnaire“, das der französische Schriftsteller Marcel Proust (1871-1922) als Jugendlicher beantwortet hat. Ein paar Jahre später beantwortete er es als junger Mann noch einmal. Der Proust-Fragebogen wurde später immer wieder in bekannten Publikationen aufgegriffen und abgewandelt. Die Hochschule Coburg nutzt eine eigene Variante, um heute Prof. Katrin Linthorst (Jahrgang 1980) ein bisschen besser kennen zu lernen. Seit dem Sommersemester 2022 forscht und lehrt sie als Professorin für Kommunale Gesundheitsförderung an der Fakultät Ganzheitliche Gesundheitswissenschaften.

Was haben Sie zuletzt gemacht?
Prof. Dr. Katrin Linthorst: Bis Februar diesen Jahres habe ich den Fachbereich Gesundheitsmanagement der Stadt Herne geleitet und war somit intensiv mit der Bewältigung der Corona-Pandemie beschäftigt. Der öffentliche Gesundheitsdienst kann jedoch nicht auf den Infektionsschutz reduziert werden und ist glücklicherweise weitaus vielfältiger, als oft angenommen. Bevor ich den gesamten Fachbereich leitete, war ich für die Kommunale Gesundheitsförderung und auch die Planung zuständig. Als Gesundheits- und Sozialwissenschaftlerin konnte ich mich in diesem Zusammenhang fachlich und persönlich intensiv einbringen.

Wo / wie leben Sie?
Ich lebe mit meinen beiden Kindern zusammen.

Ihre Spezialgebiete sind?
Mein Spezialgebiet ist die Kommunale Gesundheitsförderung. Mir geht es insbesondere darum, eine feine gemeinsame Strategie für „Mehr Gesundheit für alle“ in und vor allem mit Kommunen und allen Akteuren, die dazu gehören, zu etablieren. Ich habe meine wissenschaftlichen Wurzeln in der Ungleichheitsforschung, Equity und Equality of Opportunity dienen hier als Leitmotive. Daraus ergeben sich u. a. Handlungsstrategien wie Empowerment und Partizipation, aber vor allem geht es um Kooperation und Netzwerkarbeit.
Mit diesem Verständnis ergibt sich für die Kommunale Gesundheitsförderung ein hoher Anspruch für die Interventions- und Transfer-Forschung. Was macht die Praxis? Was braucht die Praxis? Wo braucht es Forschungsanstrengungen? Wie kann Praxis-Forschung gelingen? Im Kern steht die Gesundheit der Bevölkerung, aber auch das Gesundheits- und Versorgungssystem in seiner Vielfalt. Kommunale Gesundheitsförderung möchte daher Gesundheitsdienste neu denken und wesentliche Impulse für eine Neuorientierung geben. Die Moderation und Steuerung von gesamtgesellschaftlichen Strategien und Prozessen stehen dabei ebenso im Fokus wie die Unterstützung der Gesundheitsförderung in und mit sogenannten Settings. Ziel der kommunalen Gesundheitsförderung ist gesundheitsförderliche Lebenswelten zur schaffen und damit eine gesundheitsfördernde (kommunale) Gesamtpolitik zu fokussieren und Forschungsanstrengungen in diesem Zusammenhang stärker mit der Praxis zu verzahnen. Um dieses Ziel zu erreichen braucht es fachliche und persönliche Kompetenzen, die in der Lehre mit einem hohen Praxisanteil vermittelt werden.

Das Erstaunlichste in Ihrem Fach?
So erstaunlich wie einfach: Nur gemeinsam sind wir wirksam.

Vollenden Sie diesen Satz: Wissenschaft muss ...
… Menschen erreichen, um erfolgreich zu sein. „Eine Wissenschaft ist reif, wenn sie es versteht, Grundlagenforschung in Interventionsforschung umzusetzen.“ (Pfaff et al. 2020: 463). Ich bin davon überzeugt, dass Wissenschaft nie Selbstzweck sein darf.

Der bisher schönste Moment in Ihrem Beruf?
Der schönste Moment ist oft im Kleinen, wenn im Austausch mit Kolleg:inen und dem gemeinsamen Blick auf Themen ein tolles Projekt erzeugt wird, oder, wenn gemeinsame Ziele erreicht werden und die Arbeit ankommt. Besonders gut in Erinnerung geblieben ist mir jedoch die Verabschiedung der Bundeswehr, die für einige Monate bei mir im Fachbereich eingesetzt war. Die Soldatinnen und Soldaten wurden vorm Rathaus verabschiedet, ein sehr formaler Akt. Ich durfte im Namen des Fachbereichs ein Präsent übergeben. Der gesamte Fachbereich hatte sich versammelt und es war ein starkes Gefühl der Gemeinschaft. So unterschiedlich die Systeme und Menschen auch sind, es kann immer auch ein gemeinsames Ziel geben, für das es sich lohnt, sich zu engagieren und über Grenzen hinweg wirksam zu sein. 

Bei der Arbeit an der Hochschule freuen Sie sich besonders auf?
Besonders freue ich mich auf die gemeinsame Entwicklung von Projekten und das Testen und Erproben innovativer Lehrformate.

Die wichtigste Erfindung der letzten hundert Jahre?
Das Internet.

Wer wären Sie gerne?
Ich bin gerne ich selbst.

Ihre Held:innen der Wirklichkeit?
Meine Familie

Ihre liebsten Romanheld:innen? / Ihre Lieblingsheld:innen der Filmgeschichte?
Ronja Räubertochter / Driss in Ziemlich beste Freunde, Wonder Woman

Welches Buch haben Sie gerade auf dem Nachttisch liegen ... oder wo sonst?
Identität und Gewalt von Amartya Sen

Welches Design bevorzugen Sie?
Klar und funktional

Ihr/e Lieblingsmaler:in?
Frieda L.

Lieblingsblume?
Sonnenblume

Welcher kulinarische Genuss lässt Sie schwach werden?
Die indische Küche einer sehr guten Freundin

Welchen Sport betreiben Sie?
Laufen, Schwimmen