Einer, der es nicht lassen kann

Dienstag. 26. Juli 2022 (Pia Dahlem)
Prof. Dr. Heinrich Schafmeister
Prof. Dr. Heinrich Schafmeister geht in den Ruhestand. / Foto: Hochschule Coburg

Vor fast 25 Jahren begann Dr. Heinrich Schafmeister als Professor an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Coburg. Schnell wurde er Prodekan, danach Dekan der Fakultät. Von 2004-2009 lenkte der die Hochschule als Präsident durch turbulente Zeiten. Und weil er es einfach nicht lassen kann, war Prof. Schafmeister danach wieder Dekan. Jetzt geht er in den Ruhestand, Zeit für einen Rückblick.

Herr Prof. Schafmeister, wenn Sie auf Ihr Wirken an der Hochschule Coburg zurückblicken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?

Prof. Dr. Heinrich Schafmeister: Ich resümiere nicht gerne, aber es kommen schon Gedanken zum Abschied. Etwa, dass sich in fast 25 Jahren die Verhältnisse an der Hochschule doch unglaublich geändert haben. Als ich 1998 in Coburg als Professor angefangen habe, war es eine etwas verschlafenen Zeit. Es war alles recht eingefahren und kein Mensch hat damit gerechnet, dass sich schnell etwas verändert. Die damaligen Fachhochschulen in Bayern wurden ja recht stiefmütterlich behandelt. Es hätte keiner für möglich gehalten, wie viel sich heute verändert hat und wie schnell und teilweise dramatisch es ging.

Was ist Ihnen hier besonders in Erinnerung geblieben?

Etwa kam die Vorgabe aus dem Ministerium, dass die damaligen Fachhochschulen nur Bachelorausbildungen anbieten dürfen und nur die Universitäten den Master. Durch die Intervention aus der Industrie wurde das zum Glück schnell revidiert. Dann hieß es, gut, bei der Größe Coburgs gibt es einen Masterstudiengang, höchstens zwei. Inzwischen haben wir 21.  Diese Umstellung war schon dramatisch.

Sie sind sehr entscheidungsfreudig und haben immer gerne „vorne mitgemischt“?

Ja, ich bin schnell in der Hochschulpolitik gelandet, das war auch eine freiwillige Entscheidung. Und im Nachhinein bin ich darüber relativ glücklich und zufrieden. Ich bin nach kurzer Zeit Prodekan, dann Dekan und 2004 Präsident der Hochschule geworden. Einfach, weil ich es interessant und spannend fand, mit anderen zusammen federführend mitzugestalten. Ein Präsident hat schon starken Einfluss darauf, in welche Richtung es weiter geht.

Was ist Ihnen in Ihrer Präsidentschaft wichtig gewesen?

Gleich zu Beginn meiner Amtszeit wollte der damalige Wissenschaftsminister große Einsparungen vornehmen. Es hieß: „Erklären Sie mir in fünf Minuten, warum ich euch nichts schließen soll.“ Ich war ja vorher in der Stahlindustrie und an solche Aktionen gewöhnt. Doch war es schon ein harter Kampf, dafür zu sorgen, dass Bauingenieurwesen und Architektur nicht geschlossen werden. Es wäre für uns sehr schlimm gewesen, einen so wichtigen Zweig zu verlieren.

Die großen Einsparungen wurden dann nicht vorgenommen, vielmehr war dann wieder Geld für Wissenschaft da.

Ja, erfreulicherweise war die Wissenschaft bald wieder ein Schwerpunkt in der Förderung. Es ging dann relativ schnell in eine rapide Wachstumsphase. Dazu gab es die Möglichkeit neue Studiengänge zu kreieren und das haben wir auch reichlich genutzt.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit gab es etwas über 2000 Studierende in Coburg. Sie haben diese Zahl in Ihrer Amtszeit verdoppelt. Wie?

Das ist etwas, was mich sehr gefreut hat und auch bei aller Bescheidenheit ein bisschen stolz macht. Mit den neuen Studiengängen, deren Einführung ja nicht unumstritten war, war die Hochschule Coburg zu 90 Prozent sehr erfolgreich. Durch diese neuen Studiengänge hatten wir einen Zuwachs auf 4500 Studierende.

Was nehmen Sie noch aus der Zeit Ihrer Präsidentschaft mit?

Ich habe natürlich viele interessante Menschen kennen gelernt, es war eine ausgesprochen spannende Zeit. Gerade in die Politik reinzuschauen, auf kommunaler und Landesebene, das war sehr spannend.

Nach Ihrer Präsidentschaft waren Sie von 2014 bis 2020 wieder Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften. Sie können es nicht lassen?

Da treffen Sie den Nagel auf den Kopf. Ich habe nach der Präsidentschaft erst mal drei Freisemester gemacht und mich meiner alten Liebe, der Stahlindustrie, gewidmet. Danach wurde das Amt des Dekans vakant, als Prof. Dr. Jutta Michel Vizepräsidentin wurde. Da habe ich mich überreden lassen.

Wie fühlt sich jetzt der Abschied an?

Eigentlich gleichmäßig ambivalent. Ich habe in den letzten Jahren schon die Arbeitszeit heruntergefahren, daher ist es nicht so schlimm. Ich finde es ist Zeit, dass die jüngeren Kolleginnen und Kollegen das Ruder übernehmen, sie sehen die Welt mit ihren Augen und auch zu Recht anders. Da bin ich sehr gelassen und überzeugt, dass sie das auf ihre Art und Weise sehr gut machen werden.

Wie beschreiben Sie denn Ihre eigene Art und Weise?

Ich bin ja von Haus aus Westfale. Die sind sehr direkt. Es ist meine Art die Dinge ziemlich direkt und offen anzugehen und auch viel Vertrauen in andere zu setzen. Aber auch Vertrauen darin, dass sie mit dieser Offenheit auch umgehen können. Meine Sichtweise der Welt ist, Probleme werden nicht dadurch weniger, dass man sie ignoriert. Man muss sie angehen, gerade wenn es unangenehm ist. Und zwar so früh wie möglich. Das hat hier meinen Stil geprägt. Man kann offen und direkt sein, aber nie ruppig!

Sie haben in der Stahlindustrie gearbeitet, sind dann an die Hochschule gekommen. War das so geplant?

Nach der Promotion an der Universität Wuppertal war es meine feste Entscheidung an eine Hochschule zu gehen. Ich war damals schon Lehrbeauftragter, das hat mir viel Freude gemacht. In die Industrie bin ich gegangen, weil man in Bayern fünf Jahre Berufserfahrung als Voraussetzung für die Hochschullehre braucht. Weil mir das auch gut gefallen hat, wurden es bei Thyssen Krupp dann sieben Jahre.

Professor zu sein, war also immer Ihr Ziel?

Ja, das war immer mein Wunsch, es ist einfach der schönste Beruf. Man hat mit jungen Menschen zu tun und man lernt ständig voneinander. Jede Lehrveranstaltung aus der ich rausgehe und nichts gelernt habe, wäre verlorene Zeit und das ist mir eigentlich nie passiert. Man ist gezwungen jung, frisch und dynamisch zu bleiben. So habe ich es immer empfunden.

Was wollten Sie den Studierenden mitgeben?

Wir sollen ja junge Menschen auf das Berufsleben vorbereiten, darum kann auch nicht jede Prüfung eine 1,0 sein. Das ist nicht das Berufsleben und führt auch nicht zum beruflichen Erfolg. Fachkenntnisse machen grob geschätzt 50 Prozent aus. Die anderen 50 Prozent bestehen aus Selbstvertrauen. Mein Eindruck ist, dass die jungen Studierenden oft gar nicht wissen, was sie eigentlich alles können. Daher ging es mir auch darum, ihnen ein Stück Selbstsicherheit, Selbstvertrauen aber auch Selbständigkeit zu vermitteln.

Welche Erfahrung oder Erinnerung an Ihre Zeit an der Hochschule Coburg werden Sie ganz besonders behalten?

Ich hatte ein wirklich spannendes, aufregendes und sehr positives Berufsleben, darauf kann ich schauen. Das ist auch ein Geschenk. Es kann nicht jeder sagen, dass er mit seiner Hochschule so viel Glück hatte, wie ich in Coburg!