Präsidentin Fritze: „Es war eine wilde Zeit!“

Dienstag. 08. März 2022 (Natalie Schalk)
Prof. Dr. Christiane Fritze in der Bibliothek des IT- und Medienzentrums ITMZ der Hochschule Coburg. Foto: Natalie Schalk / Hochschule Coburg

Es ist das letzte Interview, das Prof. Dr. Christiane Fritze im Präsidentinnenbüro der Hochschule Coburg gibt: Am 9. März feiert sie ihren 55. Geburtstag; am 14. März gibt sie das Amt an Prof. Dr. Stefan Gast ab. Sie spricht über die Entwicklung der Hochschule, den Kampf in der Pandemie, auch über Persönliches. Und darüber, welche lästige Arbeit ihr bei knalllauter Metal-Musik leicht von der Hand geht.

Fünf Jahre Präsidentin der Hochschule Coburg: Was war besonders prägend?
Fritze: Standortentwicklungsplanung, Programmatik, unser Zukunftsportfolio – also neue Studiengänge, Future Skills. Es war so vielfältig, vielschichtig. Als ich angetreten bin, habe ich gesagt: Die Hochschule von morgen stärkt die Region, sie ist Innovationstreiber, sie transferiert Wissen und Technologie in Wirtschaft und Gesellschaft, in Kultur und Politik und sie ist vernetzt. Da sind wir sehr gut vorangekommen. Vergangenes Jahr haben wir Ziele für die Hochschule 2030 in unserem Strategiepaper verabschiedet. Das war wichtig.

Und die Ziele waren schon bei Ihrem Antritt klar?
Ja, vieles davon. Ich war vorher acht Jahre lang Vizepräsidentin an der Hochschule München. Hochschulmanagement und Hochschulpolitik kannte ich. Ich hatte Lust an der Gestaltung. Aber ich musste vieles hier erst kennenlernen. Nicht nur Fakultäten, Dekan:innen, Mitarbeitende, sondern auch die Stakeholder: Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Gremien wie die TechnologieAllianzOberfranken (TAO), Oberfranken Offensiv, Zukunft.Coburg.Digital. Ich muss mich bei allen bedanken, die mich unterstützt haben – nur so konnte ich als Externe klarkommen. Die ersten ein, zwei Jahre hatte ich damit zu tun, zu verstehen, wie das Gefüge hier ineinandergreift und funktioniert.

Und dann?
Intensives Arbeiten an vielen Projekten. Ideen für neue Studienangebote: Wo sind Bedarfe? Als das Kabinett im Sommer 2018 entschied, dass Kronach als Hochschulstandort ausgebaut werden soll, war ich gerade ein Jahr Präsidentin. Die Hochschule Hof und wir waren gefordert, Angebote zu entwickeln. Damals entstand ein erstes, grobes Konzept eines Studiengangs Autonomes Fahren in Kronach. Wir haben uns für die Aktivitäten rund ums Forschungs- und Anwendungszentrum für digitale Zukunftstechnologien (FADZ) in Lichtenfels engagiert, es gab den Rahmenplan zum Güterbahnhof Coburg und die Idee, das Innovationsdreieck Coburg – Kronach – Lichtenfels zu gestalten. Und die Umsetzung der HTA (High Tech Agenda). Im Juni 2019 haben wir eine entscheidende Klausur in Bamberg durchgeführt. Die erweiterte Hochschulleitung saß im Dachzimmer eines Hotels in der Innenstadt: Wir haben uns die Köpfe heiß diskutiert. In diesem unglaublich heißen Sommer! Eine legendäre Sitzung, die später als „Hölle von Bamberg“ bekannt wurde. Es war eine wilde Zeit! Ich war auf Delegationsreise mit dem Wissenschaftsminister in Kanada, wir hatten die Machbarkeitsstudie fürs MINT-Quartier und haben die Kanzlerinnennachfolge ausgeschrieben – 2019 passierte einfach alles. Und dann kam Corona. Nur noch kämpfen.

Den Kopf über Wasser halten …
Es gab ja so viele unterschiedliche Themen, ich hatte mit Leuten vom Hausmeister bis zum Ministerpräsidenten zu tun. Und plötzlich: keine Kontakte mehr, alles fand in diesem Büro statt und drehte sich um die Sorge, wie man verhindert, das Virus einzuschleppen, aber trotzdem die Angebote für die Studierenden sicherstellt. Wir haben alles getan, damit sie nicht an Lebenszeit verlieren. Den Kopf über Wasser halten? So würde ich es als Taucherin nicht formulieren… aber es war eine Riesen-Herausforderung.

Sie tauchen seit fast 30 Jahren – was reizt Sie daran?
Mittlerweile habe ich 1180 Tauchgänge und ich hatte sogar eine Tauchlehrerlizenz – aber schon eine Weile nicht mehr. Zeitmangel. Mein Mann und ich haben einen Wohnsitz in Tutzing, wir tauchen heute viel im Starnberger See. Das ist natürlich eine andere Nummer als in den tropischen Meeren, aber es gibt mal ne Aalrutte, einen schönen Hecht oder so Kleingewimmel. In Wracks tauchen, Eistauchen: Diese Extreme brauche ich nicht mehr. Was mich fasziniert, ist die Ruhe, das Schweben und die Selbstbestimmung über drei Dimensionen: rechts und links, vorwärts und rückwärts, aber auch rauf und runter. Tauchen vereint die Aspekte Mensch, Natur und Technik.

Sie kommen aus dem Technischen. Worauf freuen Sie sich, wenn Sie jetzt zurück an die Hochschule München gehen?
Ich habe als Präsidentin immer die Liebe zu meinem Fach gespürt. Zum Beispiel wenn ich in einem Unternehmen zu Besuch war und in irgendwelche Hallen gekommen bin: Es ist dieser spezielle, irgendwie ölige Geruch. Ich bin Werkstoffwissenschaftlerin und werde in diesem Bereich wieder lehren, außerdem im Bereich Projektplanung und Qualitätsmanagement. Ich bin neugierig, wie ich das mit der Online-Lehre jetzt selbst umsetze, welche Elemente ich nutzen werde. Und ich freue mich auch auf die Studierenden. Es ist immer interessant, wie sie sich vom ersten Semester bis zum Abschluss entwickeln. Ich will mich außerdem fachlich mit dem Thema „Hochschulmanagement in Metropole und Region – Erfahrung aus zwei Hochschulwelten“ auseinandersetzen. Das finde ich spannend.

Wie haben Sie die Region erlebt?
Aufgabe eines Präsidenten oder einer Präsidentin ist es, die Hochschule zukunftssicher zu machen und dabei auch die Bedarfe der Region abzubilden. Im Vergleich zur Hochschule München gibt es hier vielschichtigere Interessen: im Ministerium, in der Hochschule selbst, in der Kommunalpolitik mit ihren Bürgermeistern und Landräten, der Wirtschaft mit zwei IHK. Die Region ist ja auch sehr wirtschaftsstark. Ich finde gut, dass Oberfranken Offensiv die Innovation in der aktuellen Imagekampagne aufgreift, denn ich habe oft erlebt, dass vor allem eine Genussregion dargestellt wurde. Mein Mann und ich haben in Coburg eine Wohnung gekauft, zu Fuß zehn Minuten vom Marktplatz entfernt. Wir genießen total, abends einfach mal auf ein Bier gehen zu können. Die Kneipenkultur. Aber nur Bier, Bratwurst, Braten? Das fand ich immer sehr verkürzt.

Sie haben aus privaten Gründen nicht mehr kandidiert. Nämlich?
Ich möchte Zeit für mich haben, für Sport und Bewegung, Gesundheit, Hobbies. Für Freunde und für meinen Mann. Er ist seit vergangenem Jahr im Ruhestand. Ich möchte einfach Zeit mit ihm verbringen.

Wie haben Sie sich kennengelernt?
Ich habe bei meinem Mann mal studiert … und nächstes Jahr sind wir 30 Jahre verheiratet.

Sie haben sich Ihren Professor geangelt?
Nein. Den wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Sie gehen zusammen zu Metal-Konzerten. Sind Sie ein Headbanger, Frau Fritze?
Nee. Ich habe gar keine Frisur zum Headbangen. Aber: Ich höre Metal. Und ein bisschen Mitzappeln muss bei einem Konzert natürlich auch sein. Wir hatten Karten für Nightwish im Dezember 2020, dann war’s Dezember 2021, jetzt wird es Dezember 2022: Darauf freuen wir uns. Manchmal höre ich auch zu Hause knalllaut Musik. Letzte Woche zum Beispiel beim Schuhe putzen. Das geht dann richtig gut.

Was wünschen Sie der Hochschule und Ihrem Nachfolger für die Zukunft?
Die Vielfalt in den Fächern zu erhalten, viele Studierende zu gewinnen, die zumindest teilweise auch in der Region, im Innovationsdreieck, bleiben. Weiterbildung, aber auch die wissenschaftliche Unterstützung von Projekten, Forschung und Transfer sind wichtig. Und das Thema unternehmerisches Denken, das Thema Gründung. In all diesen Bereichen bewegt sich viel. Meinem designierten Nachfolger Prof. Dr. Stefan Gast wünsche ich viel Spaß an der Gestaltung, viel Kraft, viel Erfolg und eine glückliche Hand bei seinen Entscheidungen!