Was ist das für 1 Sprache

Dienstag. 17. Januar 2017 (Madelaine Ruska)
Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Martin Haase
"Unsere Sprache verändert sich!" - Prof. Dr. Martin Haase
Plenum des philosophischen Cafés
Das Thema der virtuellen Kommunikation treibt die Menschen um. Moderator Thomas Kriza (links) mit Gastreferent Martin Haase.

Gut finden wir es nicht, machen es aber trotzdem. Textnachrichten schreiben, statt zu telefonieren, E-Mails checken, statt beim Zugfahren ins Gespräch mit Fremden zu kommen. Das Smartphone ist bei jeder Gelegenheit zur Hand. Die zwischenmenschliche Kommunikation bleibt davon nicht unberührt.

Philosophieren ist nicht für jeden etwas. Man muss hinterfragen, deuten, abwägen, sich mit komplexen Themen und völlig anderen Meinungen auseinandersetzen und kommt am Ende vielleicht nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.

Anlass zur Sorge?

Heute sind die Stühle beim Philosophischen Café im Fugenlos – dem Stadtbüro der Hochschule – aber voll besetzt. Denn es geht um ein Thema, das viele Menschen umtreibt: Wie verändert das Internet unsere sozialen Beziehungen? „Auch jüngere Menschen stehen den neuen Formen der Kommunikation durchaus skeptisch gegenüber“, sagt Thomas Kriza, Leiter des Philosophischen Cafés und Moderator des Abends. Die Frage ist: Sind das Befürchtungen, die mit jeder neuen Technik einhergehen oder besteht ernsthaft Anlass zur Sorge?

Kriza hat deshalb den Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Martin Haase eingeladen. Haase ist Professor für Romanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Bamberg, außerdem ausgewiesener Experte für digitale Kommunikation und Internetkultur. Als Ex-Vorstand von Wikimedia und führendes Mitglied im Chaos Computer Club und der Piratenpartei kennt er die Dynamiken der Internetkommunikation aus erster Hand und engagiert sich insbesondere für Bürgerrechte in der digitalen Welt.

Sprache verändert sich ständig

Und Haase macht klar: Die neue Art der Kommunikation verändert auch unsere Sprache. Das sei erstmal nicht ungewöhnlich. Sprache verändert sich ständig: durch kulturelle Einflüsse, geschichtliche Ereignisse oder technische Entwicklungen wie den Buchdruck im 15. Jahrhundert. Ungewöhnlich ist nur: „Normalerweise konserviert Schriftsprache unsere Sprache länger“, sagt Haase. Der Genitiv zum Beispiel. „Im Geschriebenen ist das die korrekte Form. Im Gespräch hört es sich fast schon komisch an, wenn wir ihn verwenden.“

Jetzt verändert sich also plötzlich unsere Schriftsprache. Weil das Smartphone beim Schreiben automatisch Sätze korrigiert, wir Abkürzungen verwenden oder aus Bequemlichkeit Wörter weglassen. Und teilweise übertragen sich diese neuen Formulierungen auch auf die gesprochene Sprache. "Was ist das für 1 Life?" Dieser Satz entwickelte sich im vergangenen Jahr zum Internetphänomen. Die 1 als Zahl, statt als Wort ausgeschrieben, hat sogar den Weg in den Werbeslogan eines Geldinstituts gefunden.

Hinter den Buchstaben verstecken

Doch Kommunikation ist natürlich viel mehr als Sprache. Es geht um Zwischenmenschliches, das Lesen zwischen den Zeilen, einordnen von Gestik, Mimik oder Tonlage des Anderen. Das können wir nicht, wenn wir nur schreiben. Schränkt die Technik unsere Kommunikation sogar ein, weil wir uns hinter den Buchstaben verstecken können? Das ist eine der Fragen, die das Publikum an diesem Abend aufwirft. Andere sind: Werden wir durch die entsprechenden Kommunikationskanäle wie WhatsApp oder Facebook zum gläsernen Nutzer? Wissen Fremde bald besser Bescheid über uns als wir selber? Und warum greift der Staat nicht stärker ein?

Haase: „Natürlich haben Messenger-Dienste ihre Vorteile. Wir stören den anderen nicht, wenn wir nur schreiben. Wir selbst können gleichzeitig noch etwas anderes tun. Dazu kommt eine soziale Komponente. Man hat das Gefühl, nie allein zu sein, sondern immer in Kontakt mit Leuten, die man mag.“ Das Ausforschen der Persönlichkeit werde dadurch natürlich weiterhin passieren. „Wir müssen uns umstellen, was unsere Privatsphäre angeht“, macht Haase klar. Aber es gebe ja auch Strategien, die absolute Durchsichtigkeit zu umgehen. „Man kann zum Beispiel die richtigen Programme wählen. Es gibt Alternativen, die auf den Datenschutz deutlich mehr Wert legen.“ Den Staat hier in die Pflicht zu nehmen, hält Haase für falsch.

Die Diskussion im Fugenlos vereint an diesem Abend ganz unterschiedliche Menschen. Sie zeigt, dass sich alle Gedanken machen. Die, die selber über WhatsApp, Facebook und Co kommunizieren und die, die noch nie ein Smartphone in der Hand hatten. Die Handys blieben an diesem Abend bei allen in der Tasche.

Das Philosophische Café

Das Philosophische Café ist ein Angebot des Studium Generale am Wissenschafts- und Kulturzentrum der Hochschule Coburg. Es soll Studierende ans Philosophieren heranführen und findet während des Semesters alle vierzehn Tage statt. Immer am Donnerstagabend, im dialog - Stadtbüro der Diakonie; bei Veranstaltungen mit externen Referenten im Stadtbüro Fugenlos. Gäste sind herzlich willkommen.