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23. Oktober '23

Bei einer Tagung an der Privatuniversität UMIT in Hall in Tirol diskutierten Teilnehmer:innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien über Capacity building und die Wirkungsforschung und Evaluation der Gesundheitsförderung. Die Hochschule Coburg beteiligte sich intensiv am fachlichen Austausch.

Die Jahrestagung des D|A|CH-Netzwerks für Gesundheitsförderung wurde federführend von Prof. Dr. Harald Stummer und Prof. Dr. Elisabeth Nöhammer vom Institut für Management und Ökonomie im Gesundheitswesen der UMIT Tirol ausgerichtet, gemeinsam mit Prof. Dr. Niko Kohls von der Hochschule Coburg und Verena Biehl der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Kohls forscht und lehrt als Professor für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg, außer ihm reisten von Coburg nach Tirol auch Monika Schnabel, Mitarbeiterin im Team Forschungsanbahnung und Wissenstransfer, Promovendin Maria Kuhn und Lilli Iser, Studierende und Referentin des Berufsverbands Gesundheitsförderung.

Als Satellitenveranstaltung fand der Fachbereichstag Gesundheitswissenschaften statt. Die 15. Konferenzdes offenen Netzwerks für Hochschulvertreter:innen der Gesundheitswissenschaften aus Deutschland, Österreich und Schweiz wurde von den Fachbereichstagssprecher:innen Prof. Dr. Mathias Bonse-Rohmann und Anna-Lena Sting von der Hochschule Hannover und Monika Schnabel von der Hochschule Coburg moderiert. Die Konferenz widmete sich schwerpunktmäßig Karriereperspektiven in den Gesundheitswissenschaften. Der Fokus des Austausches lag auf hochschulischen Entwicklungen, aber auch berufspolitische Fragestellungen wurden diskutiert. Damit stand die Satellitenkonferenz thematisch in engem Schulterschluss zur Jahrestagung und wärmte bereits für das Auftaktthema des ersten Tagungstages auf.

Von Capacity building über Nachhaltigkeit bis zur Gesundheit der Studierenden

Im einleitenden und ersten Workshop der Tagung des Netzwerks Gesundheitsförderung, moderiert von Verena Biehl und Anna Wahl (Gesundheit Österreich GmbH), wurden Ideen zu Capacity building in der Gesundheitsförderung und zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten in der D|A|CH-Region erarbeitet.

Das facettenreiche Programm bot neben einem weiteren Workshop unter der Leitung von Prof. Dr. Erwin Goller, Prof. Dr. Florian Schnabel und Lisa Schöndorfer der Fachhochschule Burgendland zum Thema Nachhaltigkeit in der Gesundheitsförderung auch fachliche Vorträge. Diese beleuchteten unter anderem die Studierendengesundheit in Deutschland, präsentiert von Prof. Dr. Wolf Polenz, sowie in Österreich, vorgestellt von Prof. Dr. Nöhammer. Besorgniserregend war der starke Anstieg von Depressions- und Angstwerten bei Studierenden, der sich im Vergleich zu früheren Erhebungen zeigte. In den Diskussionsrunden tauschten die Teilnehmenden Erfahrungen in Bezug auf Gesundheitsmonitoring an Hochschulen, auf den Umgang mit psychischen Belastungen bei Studierenden und auf studentisches Gesundheitsmanagements aus.

 „Insbesondere im dritten Pandemiejahr brauchen wir wieder eine starke Stimme für die Gesundheit und nicht nur für die Krankheit“, so der Tagungsleiter Prof. Harald Stummer von der UMIT Tirol.

Eine spannendes Reflexions- und Diskussionsfeld ergab sich aus der Vorstellung von zwei integrativen Modellen zu Gesundheitsmanagement bzw. Gesundheit. Das Modell zum Integrativen Gesundheitsmanagement und die TirolGESUND Studie wurden von Prof. Dr. Martin Widschwender vorgestellt. In seinem Vortrag plädierte er für eine bessere Verzahnung von Präventionsakteur:innen und -programmen und einen 4P-Ansatz (predictive, preventive, personalized und participatory) in der medizinischen Versorgung.  Der Vortrag gab einen eindrucksvollen Einblick in die Möglichkeiten der personalisierten Risikoerkennung und Prävention, insbesondere im Bereich der Feststellung individueller Erkrankungsrisiken und der Evaluation von Effekten gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen anhand von alters- und krankheitsassoziierten biologischen und physiologischen Markern. Bei aller Faszination stimmte der Vortrag auch nachdenklich in Bezug auf einen reflektierten und ethischen Umgang mit solcherart weitrechenden Diagnosemöglichkeiten – beispielsweise mit dem potenziell resultierenden normativen Druck für risikoangepasstes Verhalten, einer gegebenenfalls verstärkten Negativ-Fokussierung auf Risiken und deren Vermeidung bis hin zur sinnvollen Einbettung entsprechender Untersuchungen und folgender Schritte in medizinische Regelabläufe.  Fokussierend auf das Verständnis von Gesundheit an sich stellte Dr. Theodor Dierk Petzold vom Salutogenese Zentrum ein integratives Gesundheitsmodell vor, das die gesunde Entwicklung von Menschen unter anderem im Kontext der Motivationspsychologie beleuchtet. Petzolds Ansatz postuliert die Wichtigkeit der Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und fordert eine stärkere Fokussierung auf Kohärenzziele, zu denen er Dimensionen wie stimmige Verbundenheit, Autonomie, Zugehörigkeitsgefühl, Sinnhaftigkeit, Integration und Gesundheit zählt. Sein biopsychosoziales Gesundheitsmodell begreift den Einzelnen als eingebettet in soziale und kulturelle Bezugs- und Kontextsysteme, in denen sowohl direkte als auch vermittelte Kommunikation eine wichtige Rolle einnimmt. Insofern ergaben sich aus der Kombination der beiden Vorträge interessante Impulse zur Reflexion, wie präventive und gesundheitsförderliche Ansätze in die Versorgung so integriert werden könnten, dass sie im besten Fall komplementär und auch mit therapeutischen Maßnahmen ineinandergreifen.

Kooperative Promotion in Coburg zur psychischen Gesundheit werdender Mütter

Ein Beispiel praktisch angewandter Gesundheitsförderung stellte Maria Kuhn vor. Sie promoviert an der Hochschule Coburg und der Universität Regensburg zu Selbstfürsorge und Selbstregulierung als Determinanten psychischer Gesundheit werdender Mütter und stellte aktuelle Ergebnisse ihrer Längsschnittstudie zu salutogenen Faktoren am Übergang zwischen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett vor. Für ihre Längsschnittstudie hatte Frau Kuhn die Entwicklung verschiedener Gesundheitswerte, unter anderem psychischer Belastung, Kohärenz und Lebensqualität, von Frauen vom dritten Schwangerschaftstrimester bis zu einigen Wochen nach der Geburt über vier Messzeitpunkte verglichen. Die Erhebungen verdeutlichten die teilweise starke Belastungssituation der Frauen und die Wichtigkeit der weiteren Forschung und Entwicklung unterstützender Angebote.

Als konkretes und bottom-up gelebtes Beispiel für Capacity building in der Gesundheitsförderung stellte Christian Hermann den Verein Foodsharing vor. Durch die intensive Auseinandersetzung mit Produktions- und Verwertungsketten von Lebensmitteln, die ehrenamtliche Involvierung in Verteilungsregelugen oder auch die eigene Nutzung „geteilter“ Nahrungsmittel ergeben sich neue, von den Beteiligten selbst initiierte und gesteuerte Zugänge zu Ernährung, die jenseits klassisch moderierter Interventionen liegen.

Die Tagung endete mit einem intensiven Austausch vor den Tiroler Alpen über die zukünftigen Ziele des Netzwerkes und mit dem Wunsch aus allen beteiligten Ländern im kommenden September 2023 sich an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wieder zu treffen.

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