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16. September '22

von Natalie Schalk

Ein alter Toaster als Escape Game und ein tickender Bombenkoffer? Wer glaubt, Algorithmen seien langweilig, hat nie erlebt, was bei Studienprojekten der Informatik an der Hochschule Coburg rauskommt. Diesmal ging es darum, digitale und analoge Welt in einem Spiel zu verbinden.

Dass der Toaster in Flammen aufging, war Christian Rähders Glück. Die Elektrik war futsch, sonst ist nichts passiert. Aber in dem nutzlos gewordenen Altgerät fanden Rähder und sein Kommilitone Alexej Hermann die perfekte Hardware für das Praxisprojekt ihres Informatik-Profs. Im vergangenen Sommersemester hatte Prof. Dr. Thomas Wieland Studierenden des vierten und sechsten Semesters die Aufgabe gestellt, ein „Gameful Gadget“ zu entwickeln. „Die meisten Spiele sind heute entweder komplett analog wie Brett- und Kartenspiele – oder aber komplett digital wie Videospiele auf Konsolen, PCs und Smartphones“, erklärt Wieland, Er verlangte von den Studierenden aber, dass sie einen Weg finden, beide Welten zu verbinden: Dank digitaler Technik sollten physische Gegenstände zum Spiel werden. Vier Studierenden-Teams entwickelten vier sehr unterschiedliche Gadgets, die sie dann im Plenum vorstellten. Ob ihre Algorithmen Spaß machen, ob ihr Spiel funktioniert – das sollten die anderen ausprobieren.

Toast und Taschenlampe

Schon von Weitem hallte lautes Lachen aus dem Vorlesungsraum durch den sommerleeren Flur in der Fakultät Elektrotechnik und Informatik. Florentine Viviane Leybold testete den „Escape Toaster“. Das Gerät spricht und zeigt Text an und es gibt ein künstliches Toastbrot mit kleinen Displays als Augen, die zum Beispiel mit einer Taschenlampe geblendet und etwas später zugehalten werden müssen. Florentine Leybold löste nach und nach alle Rätsel in dem frechen Game um den verzweifelten Keksmann, der dem Toaster wie einem Escape Room zu entrinnen sucht. Am Ende öffnet sich eine Klappe, die die Studierenden aus Lego und Servomotoren gebaut haben. „Endlich frei“ jubiliert die Computerstimme – und im Praxistest jubelte auch Florentine Leybold: „geschafft!”

Ihr Team hat aus der Vorgabe etwas ganz anderes gemacht. Nämlich kein Spiel. Zumindest behauptet das die nölige Retro-Konsole im Gameboy-Style ununterbrochen. Sie fordert die Menschen auf, wegzugehen, etwas anderes zu tun, die Kiste in Ruhe zu lassen – und hält damit die Spieler:innen im Bann. Die Idee haben die Studierenden aus dem Videosiel „There ist no game“ übernommen und in eine schwarze Kiste gepackt. Sie hatten einige Mühe mit der Hardware. „Angefangen haben wir mit einem Mockup aus Papier“, berichtet Leybold. Endergebnis war ein 3D-gedruckter Kasten mit Display, Mikrocontroller und Sensoren. So kann das Handheld auf das Verhalten der Nutzer:innen reagieren.

Zeitspiele für Informatiker:innen

Das Team „Timelimit“ setzte auf einen schlichten Würfel aus Holz, auf dessen Seiten verschiedene technische Rätsel eingebaut sind – Spielereien für Informatiker:innen vom Drehschloss bis zur Sinuskurve, die sich mit Reglern verschieben lässt. Das Ganze muss in der vorgegebenen Zeit gelöst werden. Der Faktor Zeit war auch beim vierten Team entscheidend: Rot blinkend zeigt die Digitalanzeige in einem Koffer, dass zehn Minuten bleiben – um die Bombe zu entschärfen. Wie in jedem ordentlichen Thriller geht es auch bei diesem Gadget darum, die richtigen Drähte zu durchtrennen. Um die Reihenfolge herauszufinden, müssen verschiedene Herausforderungen gemeistert werden. Ein Leiterspiel, ein Labyrinth, ein Toggel-Rätsel. Dabei piepst ein Timer. Jede Sekunde: Biep – biep – biep. Eine Binärzahl wird angezeigt und muss als Dezimalzahl eingegeben werden. Biep. Fehler? Zehn Sekunden Zeitstrafe. Biep – biep. Plötzlich kommen „Quicktime-Games“ hinzu: mal muss ein blinkender Knopf gefunden, mal der Koffer geschüttelt werden. Keine schwierigen Aufgaben, aber wie gewünscht bringen sie die Spieler:innen im Testlauf ganz schön ins Schwitzen.

„Ich finde die Dinge so cool“, sagt Wieland. Projektarbeit im Studium hat unterschiedliche Ziele. Von der Idee bis zur realen Umsetzung ziehen die Studierenden ein Thema durch. Sie müssen mit Rückschlägen umgehen und sich im Team organisieren. „Meist arbeiten wir bei den Projekten mit Unternehmen zusammen“, erklärt der Professor. Die Studierenden kombinieren Wissen aus verschiedenen Lehrveranstaltungen, lernen Neues und probieren aus: von der Microcontrollerprogrammierung über Beschleunigungs- und Temperatursensoren oder dem Vibrationsmotor bis zu verschiedenen Eingabe- und Ausgabegeräten. „Man lernt wirklich viel, wenn man so spielerisch mit Hardware umgeht: Wie schreibt man Treiber, wie geht man mit Datasheets um? Das Studium hat ja eine riesige Bandbreite“, sagt Florentine Leybold. „Und Projekte machen einfach Spaß!” Christian Rähder ergänzt: „Ich studiere Informatik, weil mich schon immer fasziniert hat, wie tote Gegenstände wie ein Fernseher oder eine Spielkonsole quasi lebendig werden.“ Und bereits im vierten Semester des Informatikstudiums wurde seinem ollen Toaster Leben eingehaucht.

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