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15. Juni '21

In Wissenschaft und Praxis wird die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen immer wichtiger. Studierende in interdisziplinären Lehrveranstaltungen darauf vorzubereiten ist nicht einfach. Vorurteile und Berührungsängste gegenüber der „fremden“ Disziplin können die Zusammenarbeit erschweren, wie Dr. Yasmin Schunk in ihrer Doktorarbeit ermittelte.

Das Wissen der Welt kann kein Mensch in sich vereinen. „Und das Wissen wächst immer schneller”, sagt Yasmin Schunk. „Bei großen Fragen schafft es keine Disziplin mehr alleine, adäquate Lösungen für komplexe Probleme zu präsentieren. Man sieht das zum Beispiel bei der Corona-Pandemie, die mitunter eine enge Zusammenarbeit von Medizinern und Politikern erfordert.” Hochschulen und Universitäten begegnen dem, indem sie zunehmend interdisziplinäre Studienprogramme entwickeln und Studierende auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Berufsleben vorbereiten möchten. Wie aber funktioniert es in der Hochschulpraxis, wenn Studierende aus Sozialer Arbeit, Innenarchitektur und Betriebswirtschaft zusammen lernen und arbeiten sollen? Welche Faktoren fördern den fächerübergreifenden Austausch? Und welche vertiefen bestehende Vorbehalte gegenüber den „Fremden“ und fördern eine fachspezifische Grüppchenbildung? Wie lässt sich Verständnis dafür entwickeln, dass gerade die Perspektivenvielfalt großes Potenzial für die Bearbeitung komplexer Sachverhalte birgt? Das hat Yasmin Schunk in ihrer Doktorarbeit untersucht.

Das vom Bildungsministerium geförderte Projekt „Der Coburger Weg” verankerte vier interdisziplinäre Module in Bachelorstudiengängen der Hochschule Coburg. Es lief von 2011 bis 2020. Yasmin Schunk hat für ihre Promotion Studierende aus den beteiligten Studiengängen befragt. Mit der sozialwissenschaftlichen Methode der „Grounded Theory” näherte sie sich ihrem Forschungsgegenstand an. „Bei diesem Vorgehen hat main keine fixen Hypothesen A, B und C, die überprüft werden. Entscheidend ist vielmehr, den Daten möglichst offen zu begegnen und Neues zu entdecken.”

Die gewonnenen Informationen verdichtete sie schließlich zu einer Theorie über das studentische Kontaktverhalten in fachlich gemischten Studierendengruppen. „Überraschend war insbesondere, dass in interdisziplinären Lehrveranstaltungen häufig nicht mehr als ein eingeschränkter Kontakt der Studiengangsgruppen zustande kam und die Zusammenarbeit durch Abgrenzungstendenzen beeinträchtigt wurde.” Sozialpsychologische Gruppenphänomene, insbesondere die Einteilung in soziale Kategorien, spielen hierbei eine große Rolle und können zu Vorurteilen, dem Meiden von Kontakten mit fachfremden Studierenden oder auch zu spezifischen Konfliktszenarien führen. „Wir alle denken in Kategorien, um uns in der komplexen Welt orientieren zu können, das ist etwas völlig Normales“, sagt Schunk. Wichtig sei aber, die sozialpsychologischen Prozesse, die Gruppendynamiken und deren mögliche Folgen, beispielsweise für die intendierten Lernzuwächse der Studierenden zu kennen. Nur dann könne dieses Wissen aktiv in die Planung und Begleitung interdisziplinärer Lehrveranstaltungen eingebracht und unerwünschten Entwicklungen entgegengewirkt werden. Das große Potenzial interdisziplinärer Studienprogramme kann so noch besser ausgeschöpft werden.

Prof. Dr. Veronika Hammer spricht von einer „hervorragenden empirischen und theoretischen Arbeit”. Hammer hofft, dass Erwachsenenbildung und Sozialpsychologie von dem neu gewonnenen Wissen profitieren. Die Sozialwissenschaftlerin der Hochschule Coburg hat die Promotion gemeinsam mit Prof. Dr. Walter Bender von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg betreut. Unter dem Titel „Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Hochschulstudium. Eine qualitative Studie zum studentischen Kontaktverhalten in interdisziplinären Lehrveranstaltungen“ ist die Dissertation im Verlag Springer VS erhältlich.

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