Forschung am Superorgan

Mittwoch. 16. Februar 2022 (Natalie Schalk)
Dr. Christian Büttner und Florian Westhäuser von der Hochschule Coburg und Dr. Andreas Rüffer aus dem Geschäftsfeld Enterosan betrachten eine Bakterienkultur. Für etwa 2000 Kunden analysiert Labor LS pro Jahr etwa eine Million Proben. Foto: Natalie Schalk / Hochschule Coburg
Matthias Noll
Prof. Dr. Matthias Noll - Foto: Hochschule Coburg
Dr. Andreas Rüffer
Dr. Thomas Meindl - Foto: LS
Dr. Jürgen Balles - Foto: LS

Einst Tabuthema, heute bereits Hipster-Trend: Der Darm ist in der Wellness- und Gesundheitsbranche gerade groß in Mode. Aber auch die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv damit. Forscherinnen und Forscher aus der Bioanalytik der Hochschule Coburg arbeiten gemeinsam mit dem unterfränkischen Labor LS aus Bad Bocklet an neuen Erkenntnissen über das Darmmikrobiom.

Nicht viele Menschen sprechen beim Kaffee so explizit über den menschlichen Verdauungstrakt. „Da hat sich aber schon viel verändert“, sagt Dr. Andreas Rüffer und nimmt genüsslich einen Schluck: „Das Mikrobiom des Darmes ist ins Bewusstsein gerückt.“ Billionen Bakterien leben im Darm, außerdem Viren und Pilze. Sie helfen bei der Verdauung und der Entwicklung des Immunsystems, sie nehmen Einfluss auf Allergien, Übergewicht, Diabetes, neurologische Erkrankungen und unsere psychische Verfassung. Das Darm-Mikrobiom, also die Gemeinschaft der Mikroorganismen im Darm, hat viele Funktionen. Es  wird heute oft als „Superorgan“ bezeichnet. Wie und wofür es gezielt genutzt werden kann, wird beim unterfränkischen Labor LS diskutiert: Ein wissenschaftliches Team aus der Bioanalytik der Hochschule Coburg ist in der Firmenzentrale des Dienstleisters in Bad Bocklet im Kreis Bad Kissingen zu Gast.

Rüffer leitet innerhalb des Unternehmens das Geschäftsfeld Enterosan, das auf Darmdiagnostik spezialisiert ist. „Der Darm spielt für viele Bereiche der Gesundheit eine große Rolle“, erklärt er. Das Unternehmen interessiert sich sehr für wirtschaftlich nutzbare Innovationen in diesem Bereich. LS will etwas Neues, etwas das es noch nicht gibt, wie Geschäftsführer Dr. Jürgen Balles lächelnd ergänzt. Deshalb kooperiert das Unternehmen mit der Hochschule.

Noch geheim: ein neues Medizinprodukt

Über die Vorgänge im Darm wird heute zwar allgemein oft unbefangener gesprochen als vor zehn oder 20 Jahren, aber das Thema grundsätzlich ist nicht neu. „Bereits im vierten Jahrhundert wurde Stuhl in China für medizinische Zwecke eingesetzt“, sagt Dr. Christian Büttner. Zusammen mit Florian Westhäuser und Dr. Eva-Maria Wittmann gehört er zum Team von Prof. Dr. Mathias Noll. Der Professor leitet den Bachelor-Studiengang Bioanalytik an der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften der Hochschule Coburg und ist auch für das Projekt zum Darm-Mikrobiom zuständig. Die Forschenden stellen heute ihre jüngsten Ergebnisse vor: Sie haben eine innovative Methode entwickelt, um Patientinnen und Patienten gezielt mit Mikroorganismen des Darmes zu helfen. Dr. Thomas Meindl, Senior Consultant bei LS, lächelt verschmitzt: „Mehr verraten wir aber nicht. Das Projekt ist noch geheim.“

Mikrobiologie in Franken: zwei starke Faktoren

LS zählt heute zu den größten Auftragslaboren Europas. Für Pharmaunternehmen, Krankenhäuser und Arztpraxen führt es mikrobiologische und chemisch-physikalische Untersuchungen durch. Mit dem Darm-Mikrobiom beschäftigt sich der Dienstleister bereits seit der Firmengründung im Jahr 1987. Seit einigen Jahren arbeiten das unterfränkische Unternehmen und die Hochschule Coburg in Forschungsprojekten zusammen. „Wir haben einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Coburg“, sagt Meindl. „Die Absolventen und Absolventinnen sind fachlich einfach sehr fit.“

Coburg ist bundesweit einer von zwei Orten, an denen Bioanalytik studiert werden kann. Es gibt einen Bachelor- und einen Masterstudiengang und das Institut für Bioanalytik. Die Hochschule Coburg hat hier einige spannende Doktorarbeiten und Forschungsprojekte vorzuweisen – eines ist das Gemeinschaftsprojekt zum Darm-Mikrobiom, dem „Superorgan“, über das immer mehr Menschen sprechen.