Nachhaltigkeit: Entwicklungen in Forschung und Lehre

Mittwoch. 18. November 2020 (Natalie Schalk)
Im Online-Vortrag sprach Prof. Dr. Elke Schwinger über Nachhaltigkeit in der Wissenschaft.

Nachhaltigkeit ist nicht nur Gegenstand von Forschung und Lehre, sondern auch etwas, das den Hochschulbetrieb selbst verändert. Das war eines der Themen der „Nachhaltigen Hochschultage Bayern“. Prof. Dr. Elke Schwinger erklärte ein komplexes Thema.

Nachhaltigkeit ist gut fürs Klima, für den Erhalt der Artenvielfalt. Und natürlich für die Menschen, ihre Gesundheit und Sicherheit. Aber auch für die Entwicklung der Wirtschaft. Unter anderem. Doch die Entwicklung eines Bereichs geht häufig auf Kosten der anderen – selbst wenn nur die Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales betrachtet werden. Dieses Paradoxon der Nachhaltigkeit erklärte Prof. Dr. Elke Schwinger bei den „Nachhaltigen Hochschultagen Bayern“ an konkreten Beispielen: „Energieeffiziente Renovierung führt zu Mieterhöhungen – und damit bei sozial Schwachen zum Wohnungsverlust.“

Solche Effekte umfassend zu berücksichtigen ist unmöglich für Forscherinnen und Forscher, die sich auf Energieeffizienz spezialisiert haben. „Früher waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einsame Spezialisten.“ Aber die Komplexität gesellschaftlich relevanter Themen erfordert zunehmend den Blick aus verschiedenen Disziplinen. „Durch den Nachhaltigkeitsgedanken wandelt sich das Berufsbild. Interdisziplinäres Arbeiten ist eine neue Aufgabe“, sagte Schwinger. Überall in Bayern wird bei den „Nachhaltigen Hochschultagen“ gerade über ähnliche Themen diskutiert. Professor Mario Tvrtković und die studentische Initiative „FootprintProject“ haben dazu an der Hochschule Coburg ein vielfältiges Programm organisiert. Tvrtković ist Studiengangsleiter für den Bachelor Architektur. Nachhaltiger Städtebau gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten und er moderierte auch das Panel zum Thema „Nachhaltige Entwicklung: Die Rolle der Wissenschaft“.

Nachhaltigkeit in der Forschung

Als Professorin für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Ethik setzte sich Elke Schwinger in der Videokonferenz mit der Frage auseinander, warum ein Forscher allein die ganz großen Zusammenhänge nur sehr begrenzt im Blick haben kann: „Ein Forschungsprozess braucht eine bewältigbare Fragestellung mit messbarem, prüfbarem Ergebnis.“ Auch wegen des Wettbewerbs um Fördergelder müssen sich Wissenschaftler spezialisieren. Die Kommunikation mit anderen Disziplinen ist oft schwierig. Interdisziplinarität ist insgesamt nicht einfach. Aber sie ist der erste, wichtige Faktor für nachhaltige Forschung. Die Hochschulrektorenkonferenz fordert deshalb, dass die Hochschulen eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ fördern und institutionelle Rahmenbedingungen für fachübergreifende Kooperationen von Lehrenden und Forscherinnen und Forschern vorantreiben. Der zweite entscheidende Faktor ist Schwinger zufolge Transdisziplinarität: „Wir müssen die Perspektive erweitern, den Kontext einbeziehen, die Interessensgemeinschaften, die Umgebung, die Region.“ Auch das hängt heute häufig noch vom Engagement einzelner Professorinnen und Professoren ab.

Nachhaltigkeit in der Lehre

Schwinger berichtete von einer Reihe erfolgreicher Kooperationen im Rahmen des BMBF-Projekts „Der Coburger Weg“, das Ende 2020 ausläuft. Dabei waren die Projekte in Seminare integriert – wie wichtig diese Möglichkeit ist, wurde in der folgenden Diskussion mit den Studierenden sehr deutlich. „Der zeitliche Aufwand fürs Studium ist schon heftig“, sagte Sascha Greilinger. Er engagiert sich ehrenamtlich in der studentischen Nachhaltigkeits-Initiative „FootprintProject“ und hat festgestellt, dass viele für so etwas keine Zeit haben. „Sie sagen, dass sie neben dem Studium nichts anderes machen können – zum Teil auch keinen Nebenjob.“

Ein Studierender kritisierte, dass auch die Nachhaltigkeitswoche in Konkurrenz zu anderen Veranstaltungen steht – solche, in denen er eine Note bekommt. „Schade, dass so etwas nicht im Curriculum berücksichtigt wird.“ Projektseminare zur Nachhaltigkeit, allgemein mehr Möglichkeiten, im Studium Generale ECTS-Punkte zu sammeln: Das wünschen sich die Studierenden für die Zukunft. Das passt auch gut zu den Zielen der Hochschule Coburg, die sich als Aufgabe gestellt hat, die gesellschaftliche Verantwortung der Absolventen zu fördern. „Nachhaltigkeit wirkt profilbildend“, stellte Tvrtković fest. Denn ob Klima, Artenvielfalt oder soziale Sicherheit: Viele junge Menschen sehen das als die entscheidenden Themen ihrer Zukunft.