Die stille Revolution in der Verwaltung

Dienstag. 24. August 2021 (Natalie Schalk)
Wieder eine Mappe leer: Daniela Kreissl-Jakob packt sie zu den anderen. Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg
Ihre Kollegin Christine Jacob zeigt, wie sich der Pater Noster für Akten im Studienbüro der Hochschule Coburg langsam leert. Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg
Seit dem Wintersemester 2018/19 kommen an der Hochschule Coburg keine neuen Studierendenakten hinzu. Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg
Die Studierendenverwaltung ist inzwischen komplett digital, die alten Akten werden immer weniger. Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg
Horst Hauguth, Daniela Kreissl-Jakob und Frank Heublein arbeiten bereichsübergreifend zusammen, um die Digitalisierung des Studierendenlebens-Zyklus‘ (studentlife cycle) technisch und praktisch umzusetzen. Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg
Verschiedene Abteilungen, ein Ziel – die Digitalisierung: Daniela Kreissl-Jakob (Studienbüro), Horst Hauguth (ITZ / PRIMUSS-Team), Christine Jacob (Studienbüro), Frank Heublein (Referat für Digitalisierung), Denis Schulze (Prüfungsbüro). Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg

Auch wenn jeder weiß, wie wichtig sie sind: Wer hat schon Lust darauf, sich mit Formalien zu beschäftigen? Die Digitalisierung bietet hier enorme Chancen, den Nutzerinnen und Nutzern das Leben zu erleichtern. Wie bürokratische Prozesse revolutioniert werden, zeigt das Beispiel der Studierendenverwaltung der Hochschule Coburg.

Acht Semester im Bachelor Architektur, sieben bei Zukunftstechnologien oder Versicherungswirtschaft: Für junge Menschen eine wundervolle Zeit, in der sie Wissen sammeln, im Praktikum üben, Freunde treffen und mit dem Abschluss dann einen Einstieg in erfolgreiche Karrieren haben. Das ist das reale Leben der Studierenden. Gleichzeitig existiert jedes Studierendenleben auch in der Welt der Dokumente, Daten und Fakten. Bescheinigungen. Bescheide. Es braucht Krankenversicherungsnachweise, Praktikumsnachweise, Zeugnisse. Urlaubsanträge, Anträge auf Anrechnung fremder Leistungen, Noten, Prüfungen, Genehmigungen undundund. Wieviel Papier sich in so einem Studierendenleben wohl ansammelt? Zwei, drei, vier Ordner voll? Horst Hauguth lacht. „Mit den Unterlagen, die für die Lehre zur Verfügung gestellt werden: eher ein ganzer Schrank voll!“ Zumindest war das vor ein paar Jahren noch so.

Online-Dienste statt Papierberge

Heute sei‘s etwa ein Terabyte Daten, berichtet der Informatiker aus dem IT-Zentrum (ITZ) der Hochschule Coburg. „Digitalisierung ist eines der Hauptthemen der Rechenzentren. Das PRIMUSS-Team ist Teil des ITZ und wir arbeiten eng zusammen.“ PRIMUSS steht für "Prüfungs-, Immatrikulations- und Studentenverwaltungs-Software" und ist ein Campus-Managementsystem, das außer Coburg noch zehn weitere Hochschulen für die Studierendenverwaltung nutzen. Für alle stellt das Coburger PRIMUSS-Kernteam unter Hauguths Leitung die Online-Module bereit – immer in enger Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen.

„Die Papier-Akten haben in den vergangenen Jahren rapide abgenommen“, sagt Daniela Kreissl-Jakob, die das Studienbüro der Hochschule leitet. Bewerbung, Zulassung und Einschreibung laufen elektronisch, alle Dokumente können online hochgeladen, alle Bescheide heruntergeladen werden. Dafür reicht ein Smartphone.

„Alle arbeiten zusammen“

Während des digitalen Einschreibungsprozesses werden die Studierenden automatisch Nutzerinnen und Nutzer in den Plattformen der Hochschule mycampus und Moodle. Hier bekommen sie online beispielsweise Lehrmaterialien zum Lesen oder können an Video-Vorlesungen teilnehmen. „Verwaltung und Lehre hängen eng zusammen“, erklärt Frank Heublein vom Referat für Digitalisierung. Diese Abteilung hat Vizepräsidentin Prof. Dr. Jutta Michel vor zwei Jahren initialisiert, damit das Zusammenspiel in der elektronischen Welt funktioniert. „Für die Studierenden ist die Digitalisierung ein wichtiges Kriterium. Deshalb ist das für uns ein strategisch wichtiges Thema“, betont Michel. Das Referat ist ein Bindeglied. „Ob Fakultäten, Studien- oder Prüfungsbüro, Praktikumsbeauftragte oder IT“, sagt Frank Heublein, „wir arbeiten alle zusammen an dieser Geschichte, nur so können wir es packen. Digitalisierung ist ein Teamsport.“

Smarte Verwaltung

In der Verwaltung können die Mitarbeitenden digital abrufen, wie der Stand eines Vorgangs gerade ist. Auch wenn ihn zuletzt ein anderer Kollege oder eine Kollegin bearbeitet hat. Es sind standardisierte Vorgänge mit maximaler Transparenz. Die Arbeitsabläufe haben sich verändert.

Ein Beispiel: Die Hochschule ist verpflichtet, festzustellen, wo ein Studienbewerber krankenversichert ist. „Das muss er nachweisen. Wenn er sich dann einschreibt, müssen wir das wiederum der Krankenkasse anzeigen“, erzählt Kreissl-Jakob. Der Vorgang ist wichtig, damit die Studierenden bei ihren Eltern mitversichert sind oder zumindest den günstigen Studententarif bekommen. „Früher ging das über einzelne Ausdrucke, Kopien und als Serienbriefe per Post.“ Die Hochschule Coburg gehört deutschlandweit zu den ersten fünf Unis und Hochschulen, die diese Meldungen mittlerweile elektronisch weitergeben.

Kreissl-Jakob weiß, dass die meisten mit den Formalien so wenig wie möglich zu tun haben wollen. „Das ist alles ein bisschen trocken“, sagt sie und wenn sie von den Veränderungen erzählt, benutzt sie ganz oft das Wort „kein“: kein Papier, keine Scanner. Kein großer Aufwand, kein Lärm. Die Prozesse sollen einfach und schnell funktionieren. Smart eben. Es ist eine stille Revolution.

Der Corona-Schub

Die Struktur der Prozesse wird nicht durch einzelne Fachabteilungen und ihre Grenzen vorgegeben, sondern durch den „studentlife cycle“, also das Studierendenleben vom ersten Kontakt mit der Hochschule bis zum Ende des Studiums. Ist das Studium abgeschlossen, werden mit der Zusammenstellung des Notenblattes gleich alle nötigen Abschlussdokumente im Online-Dienst zur Verfügung gestellt: zum Beispiel eine Bescheinigung über den Studienabschluss, eine über die Exmatrikulation, eine für die Rente, eine Studienverlaufsbescheinigung für diejenigen, die sich für einen Master bewerben wollen, BaFöG, Gebühren, Beiträge. „Durch Corona mussten wir ermöglichen, dass die Studierenden alles erledigen können, ohne an der Hochschule zu sein“, sagt PRIMUSS-Beauftragter Horst Hauguth. „Dadurch hat die Digitalisierung insgesamt noch einen großen Schub bekommen.“ Vorlesungen werden als Videos aufgezeichnet, die Unterlagen werden online in den Plattformen bereitgestellt. Inzwischen gibt es außerdem rein digitale Prüfungsformate und durch Apps wurde die Coronanachverfolgung sichergestellt.

Coburg als Vorreiter unter den Hochschulen

Hochschul-Kanzler Dr. Matthias J. Kaiser ist überzeugt: „Dass unsere Services schon so weit digitalisiert und automatisiert sind, hat uns auch geholfen, mit unseren Studierenden gut durch die Corona-Zeit zu kommen.“ Kaiser ist stolz auf die Kolleginnen und Kollegen, die da in kurzer Zeit „etwas Herausragendes“ geschafft haben, wie er sagt: „Dass man von der ganzen Welt aus in Coburg andocken kann, dass man sich bei uns einschreiben kann, ohne persönlich aufzutauchen – da gehören wir im Hochschulbereich absolut zu den Vorreitern.“ Auch begleitende Services wie die psychologische Beratung können Studierende telefonisch oder per Videokonferenz nutzen. Kaiser betont, dass es nicht darum gehe, alle Inhalte in die virtuelle Welt zu verlagern. „Aber wo die Digitalisierung das Miteinander unterstützt, ist sie auch richtig.“ Sie entschlackt Verwaltungsprozesse, die juristisch fürs Examen zwar sehr wichtig sind – aber eben auch sehr lästig. „Es bedeutet Freiheit, wenn man das von überall aus ganz einfach erledigen kann.“