Fünf Bratwürste als Abstandshalter

Donnerstag. 14. Mai 2020 (Madelaine Ruska)

Was haben fünf Coburger Bratwürste, drei Sambatrommeln und 25 Coburger Rutscher gemeinsam? Sie ergeben nebeneinander gelegt 1,50 Meter. In Coburg machen Plakate mit diesen Motiven jetzt dafür Werbung, den Mindestabstand einzuhalten. #raum spenden heißt das Projekt und geht auf die Aktion „Coburg contra Corona“ der Hochschule Coburg zurück.

In der Coburger Webergasse wird es für Fußgänger schnell mal eng. Die Bürgersteige sind knapp einen Meter breit. Wer sich hier aus dem Weg gehen will, muss die Straßenseite wechseln oder auf die Fahrbahn ausweichen. Und das gefällt nicht jedem: Ungeduldig hupt der Fahrer eines silbernen Golfs, als ein älterer Mann versucht, entgegenkommenden Passanten auszuweichen. Weil er dafür auf die Straße und an den dort parkenden Autos vorbeiläuft, muss der Golffahrer warten. „Das ist genau das Problem“, sagt Ina Sinterhauf. „Wer auf Abstand achtet, gerät an anderer Stelle in Konflikt.“

Festgelegte Laufrichtungen für enge Gehwege, offene Gartentore zum Ausweichen oder weniger Parkplätze an Engstellen, damit Fußgänger besser aneinander vorbeikommen – solche Ideen könnten für mehr Raum in Städten sorgen. Die Studentinnen Marie Fischer und Alicia Madlangbayan, die Coburger Kommunikationsdesignerin Kathrin Planner, die Hochschulmitarbeiterin Jana Melber, der Architektur-Professor Mario Tvrtkovic und die Stadträtin Ina Sinterhauf haben sich überlegt, wie sich das in Coburg umsetzen ließe. Ihre Ideen sehen sie als Vorschläge an die Stadt. In Wien oder Brüssel gibt es zum Beispiel sogenannte Begegnungszonen. Straßen werden speziell für Fahrradfahrer und Fußgänger geöffnet. Autofahrer fahren in bestimmten Bereichen langsamer.

Voraussetzung dafür ist, dass der Mindestabstand auch in den Köpfen der Menschen ankommt. Deshalb hat sich die Gruppe eine Kampagne ausgedacht. Mit typischen Coburger Spezialitäten als Maßstab. 25 Klöße eben oder fünf Bratwürste. „Ich weiß, eine Coburger Bratwurst misst eigentlich 31 Zentimeter, aber die hängen ja durch und so wird es etwas weniger“, scherzt Kommunikationsdesignerin Kathrin Planner. Sie hat die Motive für Plakate und Karten gestaltet, die die Gruppe jetzt in Coburg verteilt. Auch T-Shirts und andere Produkte wollen die „Raumspender“ noch produzieren. Die könnte man gleich als touristisches Souvenir nutzen. In den sozialen Medien veröffentlicht die Gruppe außerdem Tipps zum kreativen Abstandhalten.

Gefunden hat sich die Gruppe durch die Aktion Coburg contra Corona. Die Hochschule Coburg hatte diese ins Leben gerufen, um Lösungen für die Herausforderungen durch Corona zu finden. Rund 100 Teilnehmer*innen haben sich angemeldet, 70 Themen wurden eingereicht, 11 davon bearbeitet. Die Teilnehmer*innen konnten selbst entscheiden, welche Probleme sie lösen wollten. „Das Spannende an dem Projekt war, dass es völlig ergebnisoffen war. Wir wussten nicht, wer sich für welches Thema meldet und welche davon auch angegangen werden“, erzählt Verena Blume, Netzwerkmanagerin bei CREAPOLIS. Mit ihrem Team und der Unterstützung von Zukunft.Coburg.Digital hat Blume die Gruppen zusammengebracht. Der Austausch und die Zusammenarbeit lief ausschließlich online. Von der positiven Resonanz ist Verena Blume immer noch begeistert: „Es war faszinierend zu sehen, wie viele Themen eingereicht wurden und dass die Leute so viel Engagement gezeigt haben.“

Entstanden sind neben der Aktion #raumspenden, z.B. ein Konzept für Führungskräfte, eine Anleitung für zwei Do-it-yourself-Desinfektionsmittel, eine Plattform für Einzelhändler, die Bring- und Holdienste anbieten oder Ideen für analoge und digitale Aktionen gegen Einsamkeit und soziale Isolation. Alle Projekte stehen unter www.hs-coburg.de/coronaprojekt

In den kommenden Wochen werden die Ergebnisse in einigen Gruppen noch weiter ausgearbeitet. Und: „Wenn jemand auf uns zukommt und Unterstützung für ein Projekt sucht, helfen wir weiter und vermitteln“, sagt Blume.