10. März '20
In einem internationalen Forscherteam hat Doktorand Martin Zapf von der Hochschule Coburg gängige Vorstellungen über den Einfluss des Verkehrs auf die Erderwärmung überprüft. Ergebnis ist, dass es realistische Lösungen und bezahlbare Technologien gäbe – die erfordern allerdings ein politisches Umdenken.
Politiker konferieren, die Jugend streikt: Der Klimawandel beschäftigt die Welt. Hauptverursacher des Treibhausgases Kohlendioxid in Deutschland sind Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr. Bei letzterem wird derzeit das E-Auto als beste Lösung gesehen, um CO2 zu sparen – aber ist es das wirklich? „Entscheidend sind ja nicht nur die Emissionen am Auspuff“, sagt Martin Zapf. Der Coburger Doktorand gehört zu einem Forscherteam, das einmal ganz nüchtern nachgerechnet hat, wie sich verschiedene Energieträger und ihre Herstellung, Antriebstechnologien und Fahrprofile wirklich auf das Klima auswirken. Das Ergebnis überrascht.
„Kosteneffiziente und nachhaltige Automobile“ heißt das Buch, in dem die Wissenschaftler ihre Arbeit vorstellen. Martin Zapf sagt, er würde sich sehr freuen, wenn auch Entscheider und Politiker es lesen. „Es müssen die tatsächlichen Emissionen aller zugehörigen Prozesse zählen“, sagt er. „Und die haben wir uns detailliert angeschaut – zusammen mit den Kosten für die Technologien.“ Das Projekt lief über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Wir – das sind außer Zapf auch Prof. Dr. Christian Weindl, der das Institut für Hochspannungstechnik, Energiesystem- & Anlagendiagnose an der Hochschule Coburg leitet und den Doktoranden betreut, Dr. Hermann Pengg, der das Forschungsprojekt beim Automobilhersteller Audi lenkt sowie Thomas Bütler und Christian Bach von der Schweizer Forschungsanstalt Empa. Im Kern geht es um die Frage, was die günstigste, die sinnvollste Technologie wäre, um beim Autoverkehr CO2 zu vermeiden.
„Eine pauschale Antwort gibt es nicht“, sagt Zapf, „aber auch wenn es sehr abhängig ist von zukünftigen Entwicklungen, gibt es doch eine Tendenz.“ Er erklärt, dass Elektrofahrzeuge in größeren Städten besonders günstig wären. Kleine Autos, kleine Batterien, am besten über Fahrgemeinschaften organisiert, so dass nicht jeder ein eigenes Fahrzeug braucht. „Allerdings bietet sich dort auch öffentlicher Nahverkehr an. Deshalb ist fraglich, ob ein Pkw in der Stadt überhaupt ein sinnvolles Transportmittel ist.“
Sonnenenergie im Verbrennungsmotor
Sobald es um Landstraße oder Autobahn geht, ist der Verbrennungsmotor zumindest heute noch im Vorteil. Auch er könne CO2-frei betrieben werden. So wie der Strom fürs klimaschonende E-Auto nicht aus einem Kohlekraftwerk kommen darf, müssten auch beim klimaschonenden Verbrennungsmotor die fossilen Kraftstoffe durch Wind- und Sonnenenergie ersetzt werden. „Wir können zum Beispiel erneuerbaren Strom nutzen, um synthetische Kraftstoffe herzustellen oder aus Abfall- und Reststoffen biogene Kraftstoffe produzieren.“ Zapf erklärt, dass sich damit die Emissionen am Auspuff neutralisieren lassen. Bei der synthetischen Herstellung von Kraftstoffen gibt es Möglichkeiten, CO2 zu verwenden, das vorher aus der Atmosphäre gezogen wurde. „CO2 kann zusammen mit Wasserstoff zu synthetischem Methan, Diesel oder Benzin verarbeitet werden.“
Für seine Promotion beschäftigt er sich damit, wie der Stromverbrauch im Stromnetz gesteuert werden kann, damit er möglichst dem Angebot von Wind und Sonne folgt und die Netze nicht überlastet. Dieses Thema hat er auch in das Forschungsprojekt zu nachhaltigen Automobilen eingebracht.
Er blättert kurz im Buch, findet die Seite mit der schematischen Darstellung, welche Fahrzeuge und Energieträger untersucht wurden. „Wir haben auch Brennstoffzellen-Autos angeschaut, die mit erneuerbaren Wasserstoff fahren.“ Die Verteilung und der Tankstellenbetrieb sind heute noch zu teuer: Es ist derzeit oftmals günstiger, Wasserstoff zu synthetischen Kraftstoffen zu verarbeiten oder diesen beizumischen. „Es gibt jedoch viele neue Entwicklungen, Technologien und auch einige Startups in Deutschland, die eine Nutzung des reinen Wasserstoffes vorantreiben.“
Einseitige Förderpolitik
„Man kann so weitermachen wie bisher und versuchen, immer die Technologie zu fördern, die nach aktuellem Stand das größte Potenzial hat“, der junge Wissenschaftler zuckt die Schultern. „Aber Technologien entwickeln sich weiter, neue Technologien werden entdeckt und Rahmenbedingungen ändern sich. Die Gesetzgebung ist zu langsam, um dieser Entwicklung laufend zu folgen und kann gar nicht über alle erforderlichen Informationen verfügen.“ Statt also auf spezielle Technologien zu bauen, wäre es aus Sicht der Wissenschaftler besser, das gewünschte Ergebnis zu fördern: möglichst geringe Emissionen. „Wir plädieren dafür, Emissionspreise vorzugeben – am besten weltweit und für alle Sektoren“. Dann würden sich über den Preis die Technologien durchsetzen, die am wenigsten Emissionen verursachen. Und zwar über alle Schritte hinweg, angefangen bei der Rohstoffgewinnung über die Produktion der Autos und Energieträger bis zu jedem einzelnen Kilometer, der gefahren wird.
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass neue Methoden und Technologien aufgrund der langsamen Förderpolitik zu wenig Raum haben – unter anderem wurde in Europa vor über zehn Jahren entschieden, E-Mobilität zu fördern. Es war die Technologie, die nach damaligem Stand das größte Potenzial aufwies. „Da war überhaupt noch nicht absehbar, dass man jeglichen fossilen Kraftstoff mit relativ vernünftigen Kosten auch künstlich herstellen kann.“ Dass E-Mobilität anders gefördert und besteuert wird, verzerrt aktuell den Wettbewerb. Die Autohersteller müssen sich aufgrund der politischen Vorgaben stark auf diese Technologie konzentrieren. „Wenn man etwas fürs Klima tun will, können E-Autos eine sinnvolle Option sein“, sagt Zapf. Aber dies gelte eben auch noch für andere Technologien.
Zum Buch:
Zapf, M., Pengg, H., Bütler, Th., Bach, C., Weindl, C.: Kosteneffiziente und nachhaltige Automobile. Bewertung der realen Klimabelastung und der Gesamtkosten – Heute und in Zukunft. Verlag Springer Vieweg, 2019, 456 Seiten, 54,98 Euro.