Blitz-Bauten in China – Wie ist das möglich?

Dienstag. 18. Februar 2020 (Pia Dahlem)
Egbert Keßler
Prof. Dr. Egbert Keßler ist Spezialist für Baubetrieb und Bauinformatik

Eine Klinik mit 1.000 Betten wird in China von 7.500 Arbeitern innerhalb von 10 Tagen aus dem Boden gestampft. Ein weiteres Krankenhaus in Wuhan eröffnet kurz darauf mit 1.600 Betten. Solche Vorhaben in solch einer Schnelligkeit umzusetzen ist ohne Frage außergewöhnlich. Die Hochschule Coburg wirft einen Blick aus baubetrieblicher Sicht auf diese Projekte. 

Dr. Egbert Keßler, Professor für Baubetrieb und Bauinformatik an der Hochschule Coburg, findet grundsätzlich: „Es ist eine Riesenleistung, diese Krankenhäuser so schnell zu errichten, dennoch ist vom Baulichen her keine Kunst dahinter.“ Warum ein derartig dimensionierter Blitz-Bau in Deutschland nicht 1:1 möglich ist, hat mehrere Gründe. Zum einen verlaufen in einem totalitären Staat wie China die rechtlichen Genehmigungen und Randbedingungen der Bauten ganz anders. „Beim Krankenhaus in Wuhan hat die Planungsphase zirka zwei Monate gedauert. Wenn man bei uns die Einspruchs- und Ausschreibungsfristen beachtet, sind schon zwei Monate vorbei, ohne dass ein Spatenstich passiert ist.“, weiß der Experte.

Die Planungsphase fiel auch deshalb kürzer aus, da man in China die Pläne für das Pekinger Krankenhaus verwendet hat. Das wurde 2003 wegen der Sars-Epidemie von 4.000 Bauarbeitern in nur sieben Tagen errichtet. Professor Keßler erklärt: „Die maximale Baugeschwindigkeit definiert sich darüber, wie schnell man in die Höhe kommt. Das ist in der Regel ein Stockwerk pro Woche. Egal wie komplex das Gebäude ist.“ Das Krankenhaus in China besteht aus zwei Stockwerken in der klassischen Containerbauweise. „Es werden fertige Container genommen und hingestellt. Das ist einfach und in zwei Wochen problemlos überall zu schaffen.“, so Professor Keßler. Außerdem gibt er zu bedenken, dass die Qualität dieser Bauwerke nicht so gut ist. Das Krankenhaus, das 2003 in Peking wegen Sars gebaut wurde, wird nun bereits saniert. Nachhaltig ist das nicht.

Ein weiterer Punkt sind die Kapazitäten: „Selbst wenn man rechtliche Randbedingungen außer Kraft lässt, wäre das bei uns organisatorisch nicht möglich. Versuchen sie mal innerhalb von zwei Monaten 7.000 Bauarbeiter auf die Baustelle zu bekommen. Auch wäre es nur mit sehr viel Geld möglich, so schnell die Menge an Containern und Material zu bekommen.“

Bis man den ersten Spatenstich macht, wird viel Zeit in Planung und Vorarbeiten investiert. Im Fall eines zentralistisch organisierten, hierarchisch geführten politischen Systems werden hier viele Schritte umgangen. Aus allen Landesteilen holten die Behörden Ingenieure; Sicherheitsbestimmungen werden vorübergehend außer Kraft gesetzt oder beschleunigt und auch finanzielle Mittel werden ohne demokratische Abstimmungen frei gegeben. Für große Projekte, wie zum Beispiel den 2019 eröffneten Pekinger Flughafen, wurden zahlreiche Dörfer dem Erdboden gleich gemacht, tausende Menschen enteignet und ohne Diskussion umgesiedelt. Dass durch diese Vorgehensweise viele Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt werden, steht leider oft im Hintergrund. 

Professor Keßler resümiert: „In Deutschland wird in der Regel schnell und gut gebaut.“ Als ein positives Beispiel nennt er die Allianz Arena in München: „Ein vorbildliches Projekt, das 2005 pünktlich ein Jahr vor der Fußballweltmeisterschaft fertig war – und es blieb im Kostenrahmen, mit weltbekannter, guter Architektur. Wohingegen in Peking zu den Olympischen Spielen 2008 das Stadion mit Verzögerung erst kurz vor der Olympiade eröffnet wurde. Wegen massiven Kostensteigerungen wurde zum Beispiel das ursprünglich geplante Dach gestrichen.“

Bauvorgang in Deutschland

Das eigentliche Bauen macht in Deutschland maximal ein Drittel des Bauvorganges aus. Die Bauphasen beinhalten viele Punkte: Am Beginn steht der Entwurf des Bauwerkes, es folgen die Genehmigungsplanung, dann die Phase der Ausschreibung, Kalkulation und Vergabe. Erst wenn die Vergabe erfolgt ist, beginnt die Baufirma mit den Vorbereitungen der Baustelle. Und zwei bis vier Wochen später starten die Arbeiter. Je besser und gründlicher die Baustelle vorbereitet ist, desto kürzer und effektiver ist die Bauzeit. Der größte Aufwand liegt übrigens im Innenausbau der Gebäude. Nach der Übergabe und Abnahme schließlich, wird das Bauwerk in Betrieb genommen.