Bürger fordern: Klimaschutz ins Grundgesetz!

Freitag. 02. Juli 2021 (Natalie Schalk)
Prof. Mario Tvrtković – Foto: Hochschule Coburg

Der Bürgerrat Klima besteht aus einem repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung. Jetzt hat er konkrete Empfehlungen für die Politik ausgearbeitet – und die sind erstaunlich zielführend und differenziert. Das überraschte auch den Coburger Professor Mario Tvrtković. Er war Mitglied im wissenschaftlichen Kuratorium des Bürgerrats.

Unterschiedliches Alter, Geschlecht, Bildungsstand und Wohnorte: Die 160 Mitglieder des Bürgerrats Klima wurden zufällig ausgewählt, aber so, dass sie Deutschland im Kleinen repräsentieren. Im April kamen sie zum ersten Mal zusammen. 50 Sitzungs-Stunden später haben sie sich auf über 80 Empfehlungen für die Bereiche Energie, Mobilität, Ernährung sowie Gebäude und Wärme geeinigt, und sie haben Instrumente ausgewählt, mit denen sich der Transformationsprozess umsetzen lässt: „Der CO2-Preis soll als verbindliches Instrument für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beitragen.“ Dafür stimmten im Bürgerrat 86 Prozent.

„Die Bürgerinnen und Bürger sind zu mutigen und entschlossenen Schritten bereit“, sagt Prof. Mario Tvrtković. Er forscht und lehrt an der Hochschule Coburg zu Architektur, Stadtplanung und zur Bürger:innenbeteligung. Die Fakultät Design der Hochschule hat sich in den vergangenen Jahren viel mit Transformation und Nachhaltigkeit beschäftigt und Tvrtković wurde als Experte für nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land in das wissenschaftliche Kuratorium des Bürgerrates berufen. Das Gremium unterstützte die Bürgerinnen und Bürger mit fachlichem Rat.

Klimaschutz: eine Frage der Gerechtigkeit

„Klimafreundliche Gebäudesanierung ist an der Hochschule Coburg ein großes Thema, und darüber wollten die Bürgerinnen und Bürger viel wissen“, erklärt Tvrtković. Ergebnis: Bund, Länder und Kommunen sind aufgefordert, die klimaeffizienten Gebäudesanierung und Wärmeversorgung durch Gesetze und Finanzierungsmittel voranzubringen. Zustimmung im Bürgerrat: 98 Prozent. Der Coburger Professor ist beeindruckt davon, wie ernsthaft sich die Menschen informierten und wie zielstrebig sie sich in die Themen eingearbeitet haben. „Beteiligungsformate, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger einbringen, tragen zur Lösung komplexer Probleme bei.“ Der Austausch zwischen Politik, Gesellschaft und Wissenschaft sei deshalb so wichtig. „Auch im Bezug auf klassische Streitthemen wie den Ausbau von Photovoltaikanlagen und Windrädern haben Bürgerinnen und Bürger einen ganz klaren Auftrag an Politik. Sie sind bereit, die nötigen Schritte mitzugehen.“ Das Allgemeinwohl wurde in den Vordergrund gestellt. „Spannend“, sagt Tvrtković. „Klimaschutz wird als entscheidend für Gerechtigkeit angesehen – es geht dabei um eine globale Klimawende und um Generationengerechtigkeit.“

„Historisch bedeutend“

Das macht das Empfehlungsschreiben des Klimarats an die deutsche Politik gleich am Anfang klar: „Vor dem Klima sind wir alle gleich. Um den Erhalt der Lebensgrundlage aller Menschen, von dem die Zukunft der nachfolgenden Generationen abhängt, sicherzustellen, ist das 1,5 Grad Ziel nicht verhandelbar.“ Es habe oberste Priorität.“ Gefordert wird, dass jedes neue Gesetz auf seine Klimaschutzwirkung überprüft wird. Und dann kommt eine Formulierung, die Tvrtković „historisch bedeutend“ findet: „Klimaschutz ist ein Menschenrecht und muss ins Grundgesetz aufgenommen werden.“ Zustimmung im Bürgerrat: 93 Prozent.

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