Die Psychologie perfekter Produkte

Donnerstag. 01. Juli 2021 (Natalie Schalk)
Prof. Dr. Alisa Lindner - Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg

Egal, wie innovativ die Technik ist: Wenn die Menschen sich mit einem neuen Produkt nicht wohlfühlen, wird es am Markt scheitern. Prof. Dr. Alisa Lindner ist darauf spezialisiert, Technik und menschliche Bedürfnisse zusammenzubringen. Seit dem Sommersemester forscht und lehrt sie im Master-Studiengang „Autonomes Fahren“ am Studienort Kronach der Hochschule Coburg.

Technischer Fortschritt hat immer eine psychologische Seite: „Auf der Autobahn automatisiert fahren – das klingt erst mal cool: Ich kann Zeitung lesen oder schlafen“, sagt Prof. Dr. Alisa Lindner. „Aber möchte das der Fahrer oder die Fahrerin überhaupt? Und fühlen sie sich sicher genug?“ Solche Fragen sind ihr Thema im Master-Studiengang „Autonomes Fahren“: Wie übergibt der Mensch an ein automatisches System? Wie übernimmt er wieder? Und wie lange braucht er dafür? Lindner ist Psychologin und einer ihrer Schwerpunkte ist User Experience Design, zu Deutsch etwa: nutzerzentrierte Produktentwicklung. In der Automobilindustrie hat sie mehrere Jahre Erfahrung darin gesammelt, die Wünsche von Kundinnen und Kunden mit neuen technischen Möglichkeiten zu verknüpfen.

Jetzt geht es um autonome Fahrzeuge: Sie benötigen aus technischer Sicht weder Gas- noch Bremspedal. Auch das Lenkrad ist ersetzbar. Aber wie würde es sich anfühlen, hinterm Steuer zu sitzen – ohne Steuerrad? Welche Alternativen passen zu dem, wie wir das Fahren gelernt haben? Jeder hat ein Bild davon, wie Autos aussehen. „Und jetzt kommen wir und sagen: Wir machen das anders.“ Die Professorin erklärt, worauf es ankommt, damit das funktioniert: „Ich muss immer auch überlegen, was die Menschen erwarten. Letztlich: Wofür sind sie bereit, Geld auszugeben?“

Andere Blickwinkel

Lindner hat Psychologie mit Schwerpunkt Arbeits- und Ingenieurpsychologie an der Technischen Universität Darmstadt und der University of Hertfordshire in England studiert. Promoviert hat sie mit Daimler am Institut für Arbeitswissenschaften (iad) des Fachbereichs Maschinenbau der TU Darmstadt. Bevor sie als Professorin für den neuen Studiengang an die Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg berufen wurde, war sie Projektleiterin und User Experience Designerin in der zentralen Forschung und Entwicklung bei der Robert Bosch Automotive Steering GmbH. „In der Industrie sind die Aufgaben so unterschiedlich, und deshalb ist es einfach wichtig, dass man seine Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln hinterfragen kann. Wir brauchen mehr Ingenieure, die über den Tellerrand schauen.“

Von Anfang an lernen die Studierenden im Master Autonomes Fahren, sich auszutauschen: Sie arbeiten in Projekt-Teams an verschiedenen Produktideen. Wenn sie fragen: „Sollen wir das so oder so machen?“, bekommen sie zur Antwort: „Entscheidet das selber, überlegt euch gemeinsam, was Sinn ergibt.“ Die Lehrenden in Kronach verstehen sich als Coaches. „Es gibt auch keinen festen Stundenplan.“ Lindner lacht: „Es ist wie im echten Leben: Man organisiert sich über Outlook-Termine. Die Studierenden lernen, Verantwortung zu tragen.“ In diesem Semester ist der Studiengang am Lucas-Cranach-Campus gestartet, aber für Lindner ist nicht alles neu. Die Region kennt sie sehr gut: Die Professorin, Jahrgang 1989, ist im Landkreis Coburg aufgewachsen.