Lehre im Wandel

Dienstag. 23. Februar 2016 (Madelaine Ruska)
Prof. Dr. Ralf Reißing hat seine Informatikvorlesung für Maschinenbauer auf den Prüfstand gestellt.

Frontalunterricht – das war einmal. Lehrende an Hochschulen und Universitäten werden heute in speziellen Kursen geschult, die Studierenden aktiv in den Unterricht einzubeziehen. Ein Praxisbeispiel aus der Hochschule Coburg.

Es war das klassische Modell – ein Stufenhörsaal mit vollem Auditorium. Die Studierenden versuchen die Vorlesung möglichst schnell und unbehelligt zu überstehen. Informatik für Ingenieure: Wozu brauche ich das? Was bringt mir das? Ich verstehe nicht, warum ich das lernen soll! Rückmeldungen, die Prof. Dr. Ralf Reißing von den Erstsemestern des Bachelor Maschinenbaus häufig bekommen hat. Dabei kommen die angehenden Ingenieure ohne IT im Berufsleben nicht weit. Sie müssen Zahlendarstellungen  am Computer verstehen, Grundkonzepte der Programmierung beherrschen und Fehler in Programmen aufdecken können. „Im ersten Semester ist das Vielen einfach noch nicht bewusst“, sagt der promovierte Informatiker.

Um die Studierenden besser zu motivieren, hat er sich Unterstützung beim DiZ Bayern, dem bayerischen Zentrum für Hochschuldidaktik, geholt. Gemeinsam mit Sozialpädagogin Ingrid Cavalieri schärft er die Vorlesungsinhalte und baut Übungsaufgaben ein, die die Studierenden selber lösen müssen. Außerdem setzt er auf Peer Instruction: Vor oder in der Vorlesung stellt Reißing eine Frage zum aktuellen Stoff. Die Studierenden haben mehrere Antworten zur Auswahl und stimmen ab, indem sie kleine Kärtchen nach oben halten. Wenn der Großteil richtig liegt, ist der Durchgang abgeschlossen. Bei einem sehr gemischten Antwortbild haben die angehenden Ingenieure anschließend Zeit, ihre Sitznachbarn von der eigenen Antwort zu überzeugen. Danach wird wieder abgestimmt. Das richtige Ergebnis ist jetzt deutlich häufiger dabei. Die Methode soll bewirken, dass die Studierenden Lerninhalte aktiv reflektieren, interpretieren und mit anderen darüber diskutieren können. „Manchmal gebe ich mehrere richtige Antworten zur Auswahl oder es ist keine der Möglichkeiten richtig“, verrät Reißing. Das steigert die Herausforderung für die Studierenden und macht die anschließende Diskussion noch interessanter.

Pädagogin Cavalieri war zweimal in der Vorlesung dabei. „Mir war wichtig, dass sie die reale Lehrsituation mitbekommt“, erklärt Reißing. Damit die Studierenden sich normal verhalten, erfahren sie erst hinterher von dem Coaching. Das Feedback der Pädagogin kann der Professor im Lauf des Semesters umsetzen.

„Über einen kontinuierlichen Reflexionsprozess entsteht so eine eigene Lehrphilosophie“ fasst Franz Waldherr, Leiter des DiZ Bayern, zusammen. Der Entstehungsweg sei zwar aufwendig, aber die Erkenntnisse für die Dozenten seien enorm. Das Coaching, das Prof. Reißing genutzt hat, ist Teil der Profistufe des Zertifikat Hochschullehre Bayern. Das DiZ Bayern bietet diese seit rund eineinhalb Jahren als Erweiterung des bestehenden Zertifikats an. Elf Lehrende an bayerischen Hochschulen haben sie bis jetzt absolviert. Mit Prof. Dr. Ralf Reißing und Prof. Dr. Thomas Schauerte sind bereits zwei Professoren der Hochschule Coburg darunter.

Eine Befragung der Studierenden belegt, dass die Änderungen Wirkung zeigen. „In dem Semester, in dem wir die Vorlesung umgestellt haben, gab es keine Fragen nach dem Sinn der Informatik mehr“, betont Reißing. Im Evaluationsbogen gaben die Studierenden außerdem häufiger an, dass sie durch ihren Dozenten zur Mitarbeit angeregt wurden. Wie sich die Lehre an den Hochschulen in den vergangenen Jahren verändert hat, erlebt auch Reißing sehr positiv: „An aktivierende Methoden in den Vorlesungen kann ich mich in meinem Studium nicht erinnern.“

DiZ Bayern:

Das DiZ – Zentrum für Hochschuldidaktik in Ingolstadt ist eine gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung der bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Seine Aufgaben sind die didaktische Weiterbildung aller Lehrenden an den bayerischen HaW. Außerdem steht es den Hochschulen beratend zur Seite. Die Hochschuldidaktik soll dadurch kontinuierlich verbessert werden. Lehrende, die Kurse des DiZ wahrnehmen, können das Zertifikat Hochschullehre Bayern erwerben. Seit 2014 kann dieses durch die Profistufe noch erweitert werden. Didaktikmentoren an den Hochschulen bilden die Brücke zwischen DiZ und Lehrenden. Ansprechpartner an der Hochschule Coburg sind Prof. Dr. Eckardt Buchholz-Schuster und Birgit Maria Stubner.