Praxiserfahrung als Abenteuer

Donnerstag. 22. April 2021
Christiane Fritze und Dieter Sitzmann
Prof. Sitzmann bei der Übergabe des Preises für Exzellente Lehre durch Hochschulpräsidentin Prof. Dr. Christiane Fritze.

Beim Bauingenieurwesen denken viele Menschen in erster Linie an Gebäude, Brücken und Straßen. Das Themenspektrum ist jedoch viel größer. Prof. Dieter Sitzmann vertrat 18 Jahre lang an der Hochschule Coburg die Lehrgebiete Wasserbau und Siedlungswasserwirtschaft. Er vermittelte seinen Studierenden nicht nur Fachwissen, sondern ermöglichte ihnen auch Praxis- und Auslandserfahrungen und forderte sie zum ehrenamtlichen Engagement heraus. Zum Ende des Wintersemesters ging er in den Ruhestand.

Professor Sitzmann füllte in seiner Zeit an der Hochschule Coburg zahlreiche Funktionen aus. So war er der erste Dekan der Fakultät Design, zu der die Studienbereiche Produktdesign, Innenarchitektur, aber auch Architektur und Bauingenieurwesen gehören. Er kümmerte sich als Beauftragter der Hochschulleitung am Campus Design von 2010 bis 2012 um die Erweiterung durch einen Neubau und die dazugehörige technische Ausstattung. Professor Sitzmann war außerdem maßgeblich an der Einführung des Masterstudiengangs für Bauingenieure beteiligt und viele Jahre lang Sprecher des Auslandsausschusses der Hochschule.

Kooperation mit chinesischer Universität initiiert

Ein Herzensanliegen war es dem leidenschaftlichen Hochschullehrer Sitzmann deshalb auch, dass die Studierenden Auslandserfahrungen sammeln können. Bereits kurz nach seiner Berufung initiierte er die Austauschkooperation der Hochschule Coburg mit der Zhejiang University of Science and Technology im chinesischen Hangzhou, die er bis zu seinem Ausscheiden betreute. „Durch ein Praxissemester in China erwerben die Studierenden nicht nur Fachwissen. Sie sammeln auch Lebenserfahrung und Pluspunkte für ihren Lebenslauf“, ist er überzeugt. Im Gegenzug haben chinesische Studierende die Chance, die deutsche Kultur kennenzulernen.

An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften schätzt Professor Sitzmann besonders den Praxisbezug: „Wir achten darauf, dass die neu berufenen Professorinnen und Professoren einen engen Kontakt zur Praxis mitbringen. Die Studierenden profitieren von den Beispielen aus der Praxis und sie können in ihren Studien- und Abschlussarbeiten Aufgabenstellungen aus der Praxis bearbeiten.“ Das integrierte Praxissemester, das viele der Studierenden in Ingenieurbüros oder Behörden für Wasser- und Abwasserwirtschaft absolvieren, erleichtert den Berufseinstieg. „Oftmals ist die Praxisstelle die spätere Arbeitsstelle. In fast jedem Ingenieurbüro, in den Wasserwirtschaftsämtern und den kommunalen Abwasserverbänden in der Region arbeiten Absolventinnen und Absolventinnen von uns.“

Dieter Sitzmann ging es zudem immer darum, sich über seine Mitarbeit in Fachausschüssen der Wasserwirtschaft mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Er stellt fest: „Durch den Klimawandel gibt es beispielsweise immer häufiger Starkregen, die Siedlungsentwässerung steht vor neuen Herausforderungen. Hier müssen wir unseren Studierenden nachhaltige Strategien vermitteln. Die Entwässerung der Städte ist dabei eine interdisziplinäre Gemeinschaftsaufgabe für Bauingenieure, Stadtplaner und Bürger.“

Zu ehrenamtlichem Engagement herausgefordert

Professor Sitzmann bot seinen Studierenden aber auch die Chance auf andere Abenteuer, beim Brunnenbau im Nomadenland Nordkenias und bei uns in den Bergen. Wer sich neben dem Studium ehrenamtlich engagieren wollte, konnte mit ihm beispielsweise rund um die Coburger Hütte des Deutschen Alpenvereins den Klettersteig „Hoher Gang“ ausbessern, die Wasserfassung der Hütte reparieren oder Wanderwege und Treppenanlagen in Schuss halten. Er erzählt: „Das sind Praxiserfahrungen in einem ungewöhnlichen Umfeld, die viel Planung im Voraus und Teamarbeit verlangen. Denn dort gibt es keinen Baumarkt, in den man schnell mal fahren kann, wenn Schrauben fehlen.“ Wichtig war ihm, dass die jungen Menschen lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich aufeinander verlassen zu können. Deshalb lief das Projekt auch außerhalb des Lehrplans in die Freizeit: „Mir ging es darum zu vermitteln, wie wichtig das Ehrenamt ist. Ohne Ehrenamt würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren.“ Damit das Projekt von Jahr zu Jahr weitergetragen wird, gibt es immer zwei bis drei Studierende, die ihre Erfahrungen als Paten an den nächsten Jahrgang weitergeben.

Die Studierenden würdigten das besondere Engagement von Professor Sitzmann innerhalb und außerhalb der Hochschule im letzten Jahr dadurch, dass sie ihn für den Hochschulpreis für exzellente Lehre nominierten. In ihrer der Laudatio hielten sie fest: „Er ist durch seine fachliche Kompetenz, seine gefestigte Lebenseinstellung und seine Werte, die er vermittelt, wie gegenseitiger Respekt, Weltoffenheit, Disziplin, Zusammenhalt und Lebensfrohsinn, ein Vorbild für viele Studierende“.