Chemie-Nobelpreis: Experten der Hochschule Coburg zur Genschere

Donnerstag. 08. Oktober 2020 (Natalie Schalk)

Zum Nobelpreis für die Entwicklung der Genschere: Ein Wissenschaftlerteam aus den USA und Coburg weist auf Risiken hin und fordert bessere Kontrolle der Technologie.

Die Gen-Forscherinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna wurden gestern mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Sie haben die Genschere CRISPR/Cas9 entwickelt und damit völlig neuartige Methoden zur Erbgut-Veränderung ermöglicht. Bei allen Vorteilen der medizinischen Möglichkeiten warnt der US-amerikanische Bioethiker James Giordano allerdings davor, die Gefahren genetischer Manipulation aus dem Blick zu verlieren. Der Professor der Georgetown University gilt als einer der weltweit führenden Experten für Biosicherheit und Bioethik – und er lehrt an der Hochschule Coburg als Gast-Professor. Gemeinsam mit Prof. Dr. Niko Kohls gibt er aktuell einen Kurs für Bachelor- und Masterstudierende der Gesundheitsförderung. Für kommendes Jahr ist ein Seminar in Biotechnologie, Gesundheitsförderung und Ethik in der Planung.

Vorteile für die Medizin
„Die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Technik CRISPR ermöglicht, genetische Sequenzen einfacher, kosten- und zeiteffizienter zu modifizieren“, sagt Giordano. Allerdings seien solche genetischen Scherentechniken „double-bladed“, wie der Amerikaner es formuliert. Bei einer Schere klingt die deutsche Redewendung vom „zweischneidigen Schwert“ schief, aber in der englischen Variante von den zwei Klingen sind die Vor- und Nachteile der Genschere treffend beschrieben. „Die Klinge der Vorteile verkürzt effektiv die Zeit, die Belastung und die Hindernisse bei der Behandlung, Heilung und möglicherweise Beseitigung bestimmter Krankheiten und Störungen.“

Risiken für das globale Gleichgewicht der Macht
Die heikle Frage ist, ob verhindert werden kann, dass Staaten, Unternehmen oder kriminelle Organisationen diese Technologie missbrauchen. Extremszenarien wären die Herstellung von Designerbabys und menschlichen Waffen. „Die Schaffung neuartiger Mikroben und die Modifikation einer Vielzahl von Organismen – einschließlich des Menschen – kann genutzt werden um das globale Gleichgewicht wirtschaftlicher, kultureller, politischer und militärischer Macht zu verändern“, sagt Giordano. Die zweite Klinge mit den Nachteilen sei in ihrer Wirksamkeit, Leichtigkeit und Effizienz genauso scharf wie die erste.

Aus diesen Gründen fordert Giordanos Arbeitsgruppe in den USA gemeinsam mit Prof. Dr. Niko Kohls vom Programm für Integrative Gesundheitsförderung der Hochschule Coburg eine bessere Kontrolle der Technologie: Es geht darum, zu überwachen, anzuleiten und wo nötig zu steuern, wie CRISPR und die darauf basierenden neuen Methoden eingesetzt werden. „Bei Eingriffen in die Genetik oder anderen Maßnahmen, die nicht umkehrbar sind, ist es in der Wissenschaft äußerst wichtig, immer auch die ethischen Aspekte zu bedenken“, mahnt Kohls.