„Ich merke, dass sich meine Mitarbeiter öffnen“

Montag. 12. Mai 2014 (Pressestelle)
Horst Wilbald sucht Grenzerfahrungen – zum Beispiel beim Aufstieg auf nepalesische Bergpässe in mehr als 5000 Metern Höhe. Foto: privat

Die Hochschule Coburg setzt auf gesunde Studierende und Mitarbeiter. 2010 wurde hier die „Gesunde Hochschule“ ins Leben gerufen. Das motiviert, sagt Horst Wilbald, Leiter des Hochschulrechenzentrums. Und nur wer motiviert und fit sei, könne gute Arbeit leisten. Im Interview erzählt der 49-Jährige, welche Zusatzangebote er selbst für seine 15 Mitarbeiter auf die Beine gestellt hat.

Herr Wilbald, an welchen Angeboten der „Gesunden Hochschule“ haben Sie selbst schon teilgenommen?

Ich habe zum Beispiel bei einem vierstündigen Kletter-Workshop mitgemacht. Auf der einen Seite ging es dabei natürlich ums Klettern. Auf der anderen Seite habe ich Kollegen persönlich kennengelernt, mit denen ich bis dahin – wenn überhaupt – nur per E-Mail kommuniziert hatte. Das war eine tolle Sache und hat mir die Möglichkeit gegeben, über den Tellerrand meiner Abteilung zu schauen.  Mitmachen konnte jeder – vom Professor bis zur Sekretärin. Spannend fand ich auch einen Vortrag des Kabarettisten Dr. Eckhart von Hirschhausen zum Thema Glück. Ferner waren an der ganzen Hochschule Studierende unterwegs und haben Arbeitsplatzverbesserungen für einige Abteilungen ausgearbeitet – auch bei uns im Rechenzentrum. Und ich habe zum Beispiel 2013 einen Führungskräfte-Workshop besucht.

Was konnten Sie aus dem Führungskräfte-Workshop für sich mitnehmen?

Es ging unter anderem darum, den eigenen Führungsstil zu hinterfragen.  Ich persönlich habe dabei zum Beispiel gemerkt, dass ich manchmal zu kooperativ mit meinen Mitarbeitern agiere und in bestimmten Fällen schneller Entscheidung treffen und klarere Ansagen geben muss. In diesem Jahr wird übrigens ein Workshop zum Thema „Mitarbeitergespräche führen“ angeboten. Diese sind inzwischen an der Hochschule verpflichtend, mir waren regelmäßige Gespräche mit meinem Team aber auch schon vorher sehr wichtig.

Warum sind Ihnen Mitarbeitergespräche so wichtig?

Ich nehme mir in Vier-Augen-Gesprächen ausreichend Zeit für jeden einzelnen Kollegen. Wenn nötig, sitzen wir auch mal zwei Stunden zusammen. Ich merke, dass sich meine Mitarbeiter dadurch öffnen und auch über sehr persönliche Dinge mit mir sprechen. Nur so kann ich für die entsprechende Work-Life-Balance sorgen. Entstanden ist ein Vertrauensverhältnis, das Früchte trägt: Über viele Dinge informieren mich meine Mitarbeiter inzwischen, ohne dass ich nachfragen muss.

Wie reagieren Sie, wenn Sie merken: Ein Kollege ist überlastet?

Wenn es Kollegen schlecht ging, habe ich diese auch schon mal nach Hause geschickt. Wichtig ist mir aber vor allem, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Deshalb versuche ich, entsprechende Freiräume für mein Team zu schaffen. Ich habe zum Beispiel einen Container fürs Rechenzentrum angemietet, in dem jeweils ein Kollege arbeiten kann, wenn er absolute Ruhe braucht. Zudem sind es meiner Meinung nach oft Kleinigkeiten, die entscheidend zum gesunden Arbeitsalltag und guten Klima beitragen. Einmal pro Monat bringe ich auf meine Kosten einen großen Obstkorb für alle mit. Und ich spendiere regelmäßig Wasser und Saftschorlen. Das klingt vielleicht banal, aber ich habe beobachtet: Wenn ich das nicht mache, trinkt mancher Kollege den ganzen Tag nur Kaffee.

Verändert sich durch das Projekt „Gesunde Hochschule Coburg“ das Arbeitsklima?

Auf jeden Fall. Die Hochschule hat viel dazugelernt in Sachen Kommunikation. Zudem habe ich den Eindruck, dass die Mitarbeiter ihren Arbeitsalltag intensiver hinterfragen. Und: Freiräume motivieren. Dadurch verbessert sich unterm Strich auch die Arbeitsleistung.

Für Ihre Mitarbeiter tun sie viel. Wie gehen Sie selbst mit dem täglichen Arbeitsstress um?

Im Rechenzentrum selbst versuche ich, mehr Struktur in den Arbeitsalltag zu bringen. Als ich die Leitung übernahm, stand ich vor einer riesigen Baustelle. Immer noch sind um die 30 Projekte offen, die wir angehen müssen. Durchsetzen konnte ich zum Beispiel bereits, dass sich studentische Hilfskräfte um den First Level Support kümmern. Meine Mitarbeiter werden dadurch nicht mehr direkt angerufen. Das entlastet sie und mich. Ich persönlich finde vor allem Ausgleich zur Arbeit in recht verrückten, extremen Reisen.

Was meinen Sie mit extremen Reisen?

Ich bin zum Beispiel schon mit einer Gruppe zwei Wochen lang durch die Sahara oder im Winter bei -30 °C mit Rucksack und Zelt über den zugefrorenen Baikalsee gelaufen. Dieses Jahr war ich in Nepal und bin über mehrere Bergpässe bis über 5000 Meter aufgestiegen. Ich habe für mich gemerkt: Auf der Arbeit stehe ich ständig unter Druck. Das kann ich am besten kompensieren, wenn ich etwas total anderes mache. Während der Touren bin ich derart gefordert, dass ich keine Zeit habe, über die Arbeit nachzudenken. Auf Mallorca am Strand könnte ich sicher nicht in dem Maß abschalten.

Einen 5000er zu besteigen bedeutet für Sie Erholung?

Viele Leute können das nicht nachvollziehen. Aber auf solchen Reisen lernt man seine Grenzen kennen. Man trifft Menschen, die täglich ums Überleben kämpfen und begreift, dass unsere Zivilisationsprobleme sehr relativ sind. Ich sehe nach so einer Reise einige Dinge wieder wesentlich gelassener. Und ich lerne, mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Gerade auch als Führungskraft ist das eine extrem wichtige Fähigkeit.

Coburg, 12. Mai 2014

Einen umfassenden Artikel zur Gesunden Hochschule und ihrer Entstehung gibt es außerdem hier: