Studieren mal anders: Naturphilosoph Andreas Weber zu Besuch

Freitag. 07. Dezember 2012 (Pressestelle)
Die Diskussionsrunde konnten Studierende und interessierte Zuhörer besuchen.
Die Studierenden versuchen, sich einmal genauer mit dem Lebewesen Baum auseinander zu setzen.

Lassen sich Gefühle mit der Naturwissenschaft vereinbaren? Andreas Weber - Biologe, Philosoph und Autor findet: Ja. Nur wenn wir die Natur bewahren, werden wir unsere eigene Humanität und Freiheit retten können. Im Hörsaal stellt er sich den Fragen von interessierten Gästen und Studierenden der Hochschule Coburg. Einen Filmbeitrag gibt es dazu auf COSMOS-Coburger Hochschulfernsehen.

Etwas verlegen steht das kleine Grüppchen um den großen Baum herum. Es ist kalt draußen und die anderen gucken schon. Eine Studentin legt vorsichtig ihre Hand an die nasse Rinde. Einige Meter weiter streunt Andreas Webers Hündin auf der Wiese herum. Ihr Herrchen ist über den Zaun ins angrenzende Grundstück geklettert. Dort steht er in Gedanken versunken, die Arme um einen Baum geschlungen. „Suchen Sie sich für zehn Minuten einen Baum und bauen Sie eine Beziehung zu ihm auf.“ So lautete der Auftrag des Naturphilosophen an die Teilnehmer der Diskussionsrunde. Mitten in der Veranstaltung hieß es also: Jacke an und raus auf den Campus.

Unter dem Titel „Haben Sie schon einmal einer Kröte in die Augen gesehen?“ hatte das Wissenschafts- und Kulturzentrum der Hochschule Coburg zum Dialog mit dem Biologen Dr. Andreas Weber geladen. Bioanalytik-Studierende haben die Veranstaltung vorbereitet. „Mir war wichtig, die künftigen Bioanalytiker mit einem kulturwissenschaftlichen Blick auf Natur zu konfrontieren, der sie zum Nachdenken über ihr Fach anregt“, erklärt Prof. Dr. Christian Holtorf. In der Vorlesung Biophilosophie haben er und Prof. Dr. Klaus Ruthenberg die Studierenden auf das Thema eingestimmt. Bei der Diskussion sollten sie die Chance haben, Weber mit persönlichen Fragen zu löchern. Im Mittelpunkt stand dabei dessen philosophisches Sachbuch Alles fühlt.  „Das Buch“, sagt Weber „war ein Versuch, über Natur in einer Art künstlerischem Ausdrucksprozess zu schreiben.“ Er habe Organismen als Subjekte verstehen wollen. Subjekte, die die Welt in Form und Bedeutung fühlen. „Ist Ihnen das gelungen?“, fragt eine Studentin. „Auf gewisse Weise, ja“, antwortet Weber. Er könne Organismen jetzt emotional erfassen. „Verstehen im Sinne von erklären - das geht nicht.“

Natur oder Leben zu definieren sei nicht möglich, meint der Publizist. „Wir können unendlich viele Eigenschaften aufzählen, keine trifft den Kern.“ Andreas Weber versteht sich selbst als Naturphilosoph. In seinem neuen Buch „Minima Animalia“ widmet er sich auf beinahe meditative Art und Weise Schneeglöckchen, Kranichen, Farnen, oder Erdkröten. Weber erlebt Natur mit jeder Pore. Und das sollen jetzt auch die Studierenden ausprobieren.

„Die Umarmung der Bäume auf dem Hochschulgelände war eine spontane Idee, die Weber vorher nicht angekündigt hatte“, erzählt Prof. Holtorf. „Es war aber sehr wichtig, das Erleben von Natur auch auf einer anderen, praktischen Ebene zu zeigen.“ Nicht alle Studierenden trauen sich. Die, die es ausprobieren, berichten später von ihrer Erfahrung.

„Der Baum war kalt und hat mein Gesicht zerkratzt“, erzählt eine Studentin. Eine andere ergänzt: „Am Anfang denkt man, dass es schmutzig und unangenehm ist. Aber nach einer Zeit merkt man – so ein Baum sieht richtig schön aus.“ Science in Action, so bezeichnet Weber solche Experimente. Im Leben des Autors spielen Bäume übrigens schon lange eine wichtige Rolle. Unter einem Kirschbaum im Botanischen Garten Berlin hat er vor 20 Jahren die Entscheidung getroffen, Biologie zu studieren. Nach mehreren abgebrochenen Studien war das die letzte Chance, etwas aus seinem Leben zu machen.