Vom Restaurant ins Labor

Mittwoch. 21. März 2018 (Anke Hempfling)
Simone Keß im Labor der Bioanalytik.

„Das will ich nicht bis zur Rente machen“, dachte sich Simone Keß und gab ihren Job als Restaurant- und Bankettleiterin auf. Im Alter von 29 Jahren holte sie ihr Fachabitur nach und begann zu studieren. Wenn die junge Frau jetzt von Berufs wegen Weiß trägt, dann ist das keine Bluse mehr, sondern ein Laborkittel.

Frankfurt am Main, München, Würzburg und zuletzt sechs Jahre Köln – bevor es Simone Keß nach Coburg verschlug, war sie viel unterwegs. Heute studiert die gebürtige Unterfränkin im sechsten Semester Bioanalytik an der Hochschule Coburg. Dass die 32-jährige zu den ältesten Studierenden ihres Jahrgangs zählt, hat sie nie gestört: „Ich habe eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau gemacht und einige Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob es wirklich das ist, was mich interessiert und was ich machen möchte. So eine Entscheidung braucht eben Zeit.“ Zum Studium kam sie als Quereinsteigerin durch ihr Interesse an der Lebensmittelanalytik. Als Bankettleiterin beriet sie Gäste zu Speisen und Getränken, mittlerweile kann sie deren Inhaltsstoffe im Labor analysieren. Diese Parallele hat aber nichts mehr mit ihrem aktuellen Berufswunsch zu tun: „Ich finde den Bereich der klinischen Immunologie unglaublich spannend. Genauer gesagt würde ich gerne die Störungen des Immunsystems bei der Bildung von Tumoren untersuchen, am liebsten an einem Forschungsinstitut.“

Auf die Arbeitsprozesse am Leipziger Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) konnte die Studentin im Rahmen ihres Praxissemesters bereits im vergangenen Sommer einen ersten Blick werfen. In der Abteilung für Therapievalidierung war sie der Arbeitsgruppe „Präklinische Modelle“ zugeteilt. Dort beschäftigen sich die Wissenschaftler unter anderem mit der Entwicklung von Tiermodellen zur Durchführung von präklinischen Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien für neue Arzneimittelkandidaten. „Das IZI ist bekannt dafür, zahlreiche Forschungsverfahren für die praktische Anwendung vorzubereiten“, so Keß. Diese enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sei nicht immer selbstverständlich. Während ihres Praktikums arbeitete sie selbständig an der Beurteilung eines Mausmodells mit der induzierten chronischen Darmerkrankung Morbus Crohn. Wird der Darm von Krankheitserregern befallen, kommt es zur Abwehrreaktion. Das Immunsystem bildet beispielsweise T-Zellen. Diese lassen sich durch Einfärbungen auf dem Darm nachweisen. „Es war meine Aufgabe, dieses Modell auf seine Tauglichkeit für die weitere Forschungsarbeit zu überprüfen“, berichtet die Studentin. Zurück an der Hochschule trug sie ihre Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Praxissemester auf einem Plakat zusammen und nahm damit am Posterwettbewerb im Rahmen des 3. Fach- und Karrieresymposiums der Bioanalytik teil – und belegte unter knapp 60 Studierenden den 1. Platz.

Von ihrem Praktikum erzählt Simone Keß immer noch ganz begeistert: „Der Blick hinter die Kulissen war so spannend und es war interessant, die Entwicklung eines Projekts vor Ort mitverfolgen zu können.“ Gerne erinnert sie sich an die regelmäßigen Vorträge der Doktoranden des Instituts, die über den aktuellen Stand ihrer Dissertation berichteten. „Ich war da immer ganz gespannt zu hören, was momentan in der Wissenschaft läuft und ob mein jetziges Wissen aus dem Studium schon ausreicht, den Fachjargon und die Themen nachvollziehen zu können“, sagt Keß.

Genau in diese Richtung geht auch das jährlich stattfindende Symposium der Bioanalytik an der Hochschule Coburg. Die Veranstaltung soll einen Einblick in die Arbeitswelt von Bioanalytikern geben. Dazu stellen sich verschiedene Unternehmen vor und geladene Experten aus der Praxis referieren vor Fachpublikum und den Studierenden aus dem Bachelor- und dem Masterstudiengang Bioanalytik. Der Fokus liegt insbesondere darauf, dem wissenschaftlichen Nachwuchs Einstiegschancen in den Beruf und damit verbundene Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Mehr zum Symposium der Bioanalytik gibt es hier.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 01/2018 des Hochschulmagazins mit dem Schwerpunktthema "Praxis im Studium". Die Onlineversion des Magazins gibt es hier.